Diagnosen sind die neuen Sternzeichen

Ich bin als paranoid schizophren diagnostiziert, aber in meinen Augen hat das ungefähr soviel Gewicht wie für andere das eigene Sternzeichen. Ehrlich gesagt hat mein Sternzeichen für mich mehr Gewicht. Die Frage ist doch, ob ich mich dadurch definiere, oder es als Begriff sehe, der etwas zusammenfasst, was sich eigentlich doch gar nicht zusammenfassen lässt. Nicht alle unter einem Sternzeichen geborenen sind gleich, so ist es auch mit Diagnosen. Und überhaupt, ist nicht eh alles am zerfließen, Schubladendenken ist Einbildung, oder etwa nicht?

Auch ich nutze Schubladen, um schnelle Entscheidungen zu treffen, wenn mein Bauchgefühl gerade mit meinem Blinddarm zusammen Urlaub macht, irgendwo anders. Wo auch immer. Das heißt aber nicht, dass das immer die richtigen oder auch besten Entscheidungen waren und sind. Die besten Entscheidungen treffe ich aus dem Bauch heraus. Aber was heißt das? Heißt das nicht einfach, dass ich gesammelte Informationen so verknüpfe, dass mir eine Entscheidung so leicht fällt, oder auch einfach so plausibel erscheint, dass ich damit gut leben kann und auch für diese Entscheidung einstehe.

Wie ist das nun bei Astrolog*innen? Da gibt es ja verschiedene Schulen, da müssen sich die Guten schon mal für eine entscheiden und dann ist da oben wie unten und unten wie oben, was in Jahrhunderte alten Büchern steht. Ist das auf unser Jetzt einfach so übertragbar oder muss das angepasst werden? Mein Geburtshoroskop sagt mir zum Beispiel, dass ich in zwischenmenschlichen Beziehungen immer eine Herausforderung finden werde. Anders ausgedrückt, es ist nicht einfach für mich, es mit einer/m Partner*in auszuhalten. Ist auch so, schon das Wort Beziehung reizt mich, aber vielleicht ja auch, weil ich die Beschreibung zum Quadrat Venus und Mars gelesen habe und nun der Überzeugung bin, dass das bei mir schwierig ist. Hm, Henne oder Ei? Oder lieber doch Rührtofu?

Wie ist das nun bei Psychiater*innen? Da gibt es eigentlich nur eine Schule, da müssen sich die Guten schon mal nicht entscheiden und da ist dann alles kategorisiert und verschlagwortet und pathologisiert ja eh. Alles ist in Diagnosen aufgeschlüsselt und ein Spezialfach wird auch noch gewählt. Wie war das noch: Wenn wir uns viel mit Schwangerschaft beschäftigen, sehen wir auf einmal überall Schwangere? Dazu kommt, dass ja häufig Leute in schweren Krisen in die Klinik kommen und dann auch manchmal Drehtür-mäßig wiederkommen. Ich war selbst vor drei Jahren zwei Wochen zur Tablettenumstellung in der Klinik und vier Jahre davor und acht Jahre davor. Als ich das letzte Mal psychotisch war, wurde meinen Eltern empfohlen mich betreuen zu lassen und ich habe selbst meine Zukunft in einer geschützten Werkstatt gesehen. Nun habe ich wieder eine Arbeit auf dem „ersten Arbeitsmarkt“ und kann diesen Text schreiben, was auch keine Selbstverständlichkeit ist.

Vieles wird geprägt durch die eingenommene Perspektive. Das ist meine Erfahrung. Viel ist Beobachtung und Reflexion. Wie die Katze in der Kiste, die nur lebt oder tot ist, solange wir darüber nachdenken. Daher beschäftige ich mich gern mit Physik und Fragen, die noch mehr Fragen hervorrufen, dadurch bleibt mein Geist rege und hat zu tun. Mein Geist hat dann soviel zu tun, dass ich mich freue. Und wenn das passiert, dann kommt da was ins Gleichgewicht. Genauso wie, wenn ich mit Leuten rede und meine Gedanken äußere, was ich mich lange Zeit nicht getraut habe. Da geht es dann vielleicht, um die Eigenschaften des Sternzeichens Jungfrau, und dass das ja irgendwie auch auf Leute mit anderen Sternzeichen zutreffen kann. Stimmt! Alles ist relativ. Hm, raus aus der Schublade und tanzen zu Möglichkeiten und dabei Käptn Peng hören. Wie ich es grad tue beim Schreiben dieses Textes. „Käptn Peng und die Tentakel von Delphi“ könnten eh in jeder Musiktherapie in jeder Klinik und überhaupt überall gespielt werden, zum Beispiel „Gelernt“, oder „Sockosophie“ oder „Kündigung 2.0“ oder „OHA“.

Das meiste macht also die Perspektive aus und ich hab mich dazu entschlossen es positiv zu sehen. Durch meine Krisen, habe ich meinen Horizont erweitert, teilweise Blockaden überwunden, teilweise Blockaden sichtbar gemacht. Heilung ist ein großes Wort bei Schizophrenie aber ich nehme mir nicht die Meinung vieler Psychiater zum Vorbild, dass es Heilung bei meiner Erkrankung nicht geben kann, sondern erinnere mich an all die Grenzen, die ich in mir aufgespürt und dann überwunden habe. Wachstum nennt sich das dann wohl. Ja, Wachstum ist das, in einer Form einer Spirale. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich an einem Punkt angekommen bin, an dem ich schon mal war. Die Situation ist aber vielleicht vergleichbar, aber ich habe meine Perspektive geändert; ob nun mit Draufsicht oder Durchblick oder durch hinterfragendes Beobachten. Es wird mehrdimensional wo es früher paradox erschien. Und die Erleuchtung hat mich hinter Spiegel geführt, wo ich vielleicht einen kurzen Blick auf mein echtes Selbst erhaschen konnte, aber welcher Mensch erträgt schon so was, wenn er*sie nicht darauf vorbereitet worden ist. Alles was dann folgt, ohne die Leitung von Menschen, die mit Selbsterfahrung erfahren sind, wird höchstwahrscheinlich ausarten. Da sind alle diese Zäune, aus denen mein Umfeld ein Labyrinth gebaut hat, mit Konventionen, Regeln oder auch nur Redewendungen und ich bin dann einfach über diese Zäune gesprungen, statt dem Weg zu suchen und in allen Sackgassen zu landen, die das Leben der Anderen geprägt hat. Wen verstört das mehr?

Was dann war? Chaos im Kopf. Aber darum soll es mir jetzt nicht gehen. Ich hab Bock auf Lösungsorientierung. Und die Lösung ist es durchzustehen, sich eingestehen, dass ich Hilfe brauche und diese Hilfe anzunehmen, sich „zu verlieren“, „zu zersetzen“ und dann wieder neu zusammen zu puzzeln. Denn das alte Ich, das gibt es nicht mehr. Es ist ähnlich wie, wenn mich jemand teleportiert hätte auf einen anderen Planeten mit mehr oder weniger Schwerkraft als auf der Erde herrscht. Da ist nichts mehr, was mich in alten Bahnen hält, außer vielleicht die Leute, die mich vorher kannten. Aber da durch die Medis und was sonst noch, eh erst einmal Depression angesagt ist, erkennt dich eh keiner wieder. Und das kann Jahre lang so gehen, weil es auch dafür einen Namen gibt im Psychiaterjargon und das ja ganz „normal“ ist. Was alles normal ist! [Fügen Sie hier ihre persönlichen Nebenwirkungen ein.]

Ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich erkenne, dass ich gewachsen bin. Und das nach Krisen die ich aus den „normalsten“ Gründen hatte. Ich kann es auch nicht ausschließen, dass mir „das“ wieder passiert. Aber dann ist es halt so und es wird weiter gehen. Die Angst, die mir vom Arzt über die Putzfrau alle in der Klinik eingeimpft haben, die hab ich ausgeschwitzt. Und wenn andere mich vielleicht in Zukunft oder gerade als manisch beschreiben würden, ich sage, ich bin „im Fluss“. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl der Verknüpfung und des Durchdringens des Seins an sich. Ich erkenne dann so viele Zusammenhänge und fühle mich verbunden mit Allem. Was mich stürzen lässt, ist der Wasserfall der Erkenntnis, dass ich allein nichts ausrichten kann. Und was mich aufprallen lässt ist der See der Gleichgültigkeit tief darunter. Meine Mitmenschen haben sich eingerichtet und alles und alle, die gegen die Norm verstoßen und vielleicht andere aufrütteln könnten, werden so schnell wie möglich wieder auf Linie gebracht.

So sehe ich nicht die Psychose, die Neurose, die Depression oder die Manie als das Problem, das sind doch wirklich nur Symptome, oder? Das Problem ist die Trägheit der Gesellschaft. „Psychisch Kranke“ sind vielleicht wie Kanarienvögel in einem Bergwerk. Sie merken zuerst, wenn die Luft dünn wird. Sie sacken zuerst zusammen. Diese Zeichen nicht anzuerkennen und „einfach so weiterzumachen“ ist der Todesstoß für unsere Weltgemeinschaft. Die Leute sind nicht aus Spaß auf der Straße und das gibt mir ja auch Hoffnung, dass so viele Leute sich auflehnen, hinterfragen und protestieren. Aber was, wenn das System kippt? Was wenn wir den „Tipping Point“ hinter uns lassen?

Greta Thunberg sagt es, wie es ist: Dies ist eine Krise und dementsprechend müssen wir handeln. Ich hatte schon mehrere Krisen, ich weiß, dass es nicht das Ende der Welt ist, wenn ich nur schnell genug handle und das Handeln besteht darin mich und meine Situation zu verändern: mein Verhaltensmuster, meine Denkmuster, meinen Umgang mit meiner Umgebung zu hinterfragen und sie meinen Bedürfnissen entsprechend anzupassen. Das können wir auch im Großen: Annehmen, dass da ein Problem existiert, um Hilfe bitten und diese Hilfe auch annehmen. Die Lösungen für die großen Probleme gibt es oft bereits oder sie werden halt gemeinschaftlich geschaffen. Die Blockaden sind es die erkannt und überwunden werden müssen in welcher Form sie auch immer auftreten.
Wachstum nennt sich das sicher, vielleicht auch kulturelle Evolution. Wir haben alles was wir brauchen, unseren Kopf, unser Herz unser Bauchgefühl und ein Netz, dass sich über die Welt spannt und uns alle verbindet.

JB-02-2019

Darüber hinaus

Was Ermächtigung für mich heißt:
Ich erkämpfe mir meine Freiheit (zurück)
Ich erprobe, wie weit ich gehen kann
Ich ertaste Grenzen und überwinde sie
Teste aus
Ich gehe, so weit ich kann
Und darüber hinaus

Was Ermutigung für mich heißt:
Mein Leben zu leben
Ein Beispiel zu geben
Wie es auch laufen kann
Krisen anzusprechen
Und wie ich sie durchlebt habe
Probleme zu erläutern
Und wie ich sie gelöst habe

Was Entstigmatisierung für mich heißt:
Eine Krise schwächt Selbstwert, Körper nicht zuletzt Geist und Seele.
Das Umfeld re-agiert oft aus Angst, Unwissenheit, Sorge und auch mal aus Ignoranz.
Schuld ist die Folge für mich, Scham ist die Folge für mich, Angst ist die Folge für mich, Rückzug ist die Folge für mich:
STIGMA

Ich hole mir meine Unschuld zurück, ich hole mir meinen Mut zurück, ich hole mir meine Luft zum Atmen zurück, ich hole mir meine Neugier zurück auf die Welt, auf mein Wesen, auf meine Gefühle.
All das ist für mich wichtig, um zu gesunden.
Und das ist möglich: Gesund werden an Geist und Körper. Auch in dieser Welt.
Und dann anderen zu helfen, daran zu glauben und darauf zu hoffen, dass es wieder besser wird.

Leuchturmlicht
Was auch geschehen ist, ich will nicht im Trüben schwimmen.
Was auch passiert, ich will leben und das selbstbestimmt.
Klare Sicht auf das Heute ist mein Ziel, das Gestern und das Morgen verschwimmen im Spiel
der Gefühlsgezeiten, will darunter nicht mehr leiden und den Faden weiterspinnen, der mein Schicksal lenkt.
Eingedenk, derer die helfen, die da sind, die zuhören, die aufstehen und einstehen für sich und andere.
Ich will nicht kaputt gehen am System, ich will es entern und meine Sicht der Dinge offenbaren.
So wie wir waren, das ist geschehen, so wie wir sein werden, das wird entstehen, egal wie auch immer wir planen.
Und darum, bin ich gefahren und bin gelaufen und angekommen im Lauf der Wesen und dem Fluss der Gefühle, ich dreh mich um mich, ja, aber auch um meine Lieben.
Dieser Kreislauf wurde von mir nun achtsam aufgeschrieben.
Ein Lied für die Seele, die aufsteht und geht, wenn es nicht mehr geht, die sich hinsetzt und ausruht, wenn nichts mehr um sie steht, die wächst, wenn es regnet, die im Wald spaziert um Ruhe zu tanken, die in der Stadt umherstreift, um zu tanzen, die die Welt sieht im Ganzen.
Und warum nicht Blumen gießen, die in den Himmel schießen?
Das Ziel: Will wie ein Leuchtturm mir den Hafen weisen, glühen und flimmern und weiter leben und träumen und schreiben, für andere Zeiten.

JB-09-2018

 

Mein Dank geht auch an den Offenen Dialog Leipzig e.V.

Inspirierend

Inspirierend

Insistierend sitze ich auf einem Stuhl
Verfehle die Worte um Längen
Singe Lieder oft schon gehört
Verweile wach im Jetzt
Ich Sammlerin für Geschichten

Dem Klang nach, dem wir alle folgen wollen
Und im Gekreisel des Gelächters
Singt der Pan den Götzen etwas vor
Ein wacher Geist, ein lichter Tor
Der mich an eine Lichtung führt

Beschreibe, was ich sehe
Verwandelt, ungebunden
Auf das zu, was ich fürchte
Wege für Entwicklung
Mit Lachendem Herzen

Sie treten für sich ein
Rebell*innen der Zeit
Heilen, Tanzen, Malen,
Denken, Kämpfen, Sein,
Nie da zur Begleitung

Herzlich und teuer
Mir diese Geschichten
Ihre Namen sagen soviel aus
Mutter Erde erinnert
Held*innen

Wer da sagt
Du kannst nicht
Du darfst nicht
Du sollst nicht
Ohne Fantasie

Soll nicht im Weg stehn
Soll sich trolln
Und zusehn
Wie sie aufstehn
Um zu wirken

JB-07-2018

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Zukunft 2

Statt Träumen, lernen sie gehorchen.
Der Pflug zieht tiefe Grabesfurchen.
Statt zu zu hören, lernen sie zu streiten.
Wie sie Trauer und Wahnsinn verbreiten.
Statt teilen, lernen sie: Uns soll alles gehören!
Sie bauen nichts auf, wenn sie Fremdes zerstören.
Statt denken, lernen sie zu nachzubeten,
Sie buckeln nach oben, wenn sie nach unten treten.

Da macht dann Neues Panik,
Für sie ist Vernunft ein Trick.
Die Angst sitzt ihnen im Nacken,
Wenn sie Lüge mit Lüge verpacken.
Für sie heißt jeder Tellerrand „Gefahr“,
Rechts macht sich Courage rar.
Und der Hass blüht grau in den Köpfen,
Den zu viele als Wert abschöpfen.
Der Horizont ist ihnen zu bunt mit Regenbogen,
Sie sind irgendwann falsch abgebogen.

Untergang überall, wenn es so bliebe.
Doch Menschen feiern auch Unterschiede.
Habt ihr den Hut auf, setzt ihn ab.
Seht nicht auf andere herab.
Sagt eure Meinung ohne Blatt vorm Mund,
Wie Kinder tut die Wahrheit kund.
Wir wollen für Liebe und Freiheit einstehen lernen,
Uns nicht mehr um die eigene Furcht scheren.
Nationen sind Schatten unserer scheinbaren Teilung.
Grenzen sprengen bedeutet einfach Heilung.
Kein Staat ist so wichtig, dafür zu hetzen, zu verletzen und zu morden.
Die Welt sei ein Garten für die liebenden Horden.
Ein Netz aus Hoffnung spannt sich um die Welt,
Wo keine Herkunft mehr zählt.
Kontrolle und Macht sind Werkzeuge der Angst.
Niemand muss herrschen, wenn die Menschheit tanzt.

JB-05-2018

Nach der Dokumentation „Wildes Herz“ https://vimeo.com/242564652

Trostpreise

Der Traum zu bleiben ist mir neu,
Bin nur mir selber treu.
Warum nicht einem Andern?
Wie da die Blicke wandern.
Wie da der Stolz wie eine Schlucht
Vor mir klafft und versucht
Was alle Menschen wollen
Nicht müssen und nicht sollen,
Den Kampf gegen sich selbst gewinnen,
Sich auf andere einstimmen.

Trank als Wand,
Zauberstab in der Hand.
Ich glaube an das Gute,
Mir ist so zu Mute.
Ich schau mich um und bin allein,
Kann mir das gern verzeih‘n.
Kann wieder meiner Wege gehen,
Aber nicht weiter als bis morgen sehen.

Doch traue ich dem nächsten Schritt,
Mein Herz bringt Freude mit.
Begleitet meine Seelenreise,
Ich gewinn‘ gern Trostpreise.
Und fliehe nicht vor Gestern,
Mit all seinen Gespensterschwestern.
Es tat mir wohl dich dort zu sehen
Und auf dich einfach zuzugehen.

Mein Weg führt oft vorbei am Schein,
Ich möchte leben, atmen, sein.
Wie ihr auch Pläne mit mir macht,
Dazu Welt und All und Schicksal lacht,
Ich schau mich um und breche Siegel,
Mit einem blinden Spiegel.
Das Hexen und das Heilen,
Das will ich gerne teilen.

Vorbei der Spuk,
Ich will verstehen.
Über Zäune springen,
Dort Saaten säen.
Grenzen überwinden,
Ohne einzudringen.
Mich erinnern,
Wie ich Räder schlug
Und an neue Ufer schwimmen.

JB-05-2018

Über die kleine Meerjungfrau

Die Geschichte der kleinen Meerjungfrau hat mich als Kind gepackt. Diese Seele, die das Gewohnte aufgibt, um sich der Liebe und dem Fremden hinzugeben. Es ist für mich nicht die Opferbereitschaft gewesen, die mich angesprochen hat – eher ihre Verwandlung und ihre Reise: Von Schwanzflosse zu schmerzenden Füßen, die sie nicht tragen wollen, in eine Welt, die ihr unbekannt ist, die sie jedoch anzieht.

Die kleine Meerjungfrau kennt die Welt über dem Meeresspiegel nur durch dass, was ihre Bewohner in der See verloren haben. Schiffswracks säumen den Meeresboden, Verlorenes wird durch das Mädchen neu entdeckt und sie reimt sich die irdische Welt vielleicht zusammen, wie wir, wenn wir ein Museum besuchen, Scherben in unserer Vorstellung zusammensetzen und die Grabbeigaben einer Priesterin bewundern.

Dann ist da ein Mensch, der von ihr gerettet und in seine Welt zurückgebracht wird. Was geht in ihr vor? Sie hat ihn gefunden und wieder verloren, weil er sonst sein Leben verloren hätte. Nun will sie ihm folgen, denn nichts ist ihr in ihrer Welt so vertraut wie sein Antlitz. Sie schließt einen Pakt mit der Seehexe, die ihr die Stimme raubt und ihr dafür den Gang an Land ermöglicht. Und dort taumelt sie nun umher, wie ein Schiff in sturmgepeitschter See. Der, den sie gerettet hat, erkennt sie nicht, wird getäuscht. Am Ende treibt sie als Meerschaum auf der Wasseroberfläche, weil sie es nicht schafft, sein Glück, ihn, zu zerstören.

Ist dies die Geschichte eines Opfertodes oder der Liebe, die am Gegenüber verzweifelt? Die Vorstellungen, die wir uns vom Geliebten machen beginnen mit Eindrücken, Gesten, Berührungen vielleicht. Erinnerungen, die im Museum unseres Geistes landen und dort bewahrt werden, bis dann der Ersehnte sich herablässt uns dort zu besuchen und alles scheint sich zu fügen. Fügung ist überhaupt eine Erscheinung in dieser Angelegenheit, die alle Mauerritzen ausfüllt, die unser benommener Geist vielleicht noch wahrnehmen könnte, in der Wand aus Ergebenheit. Wir folgen ihm oder ihr wohin auch immer und was auch immer es kosten mag. Doch die Ernüchterung folgt auf den Füßen, die über Messer laufen müssen und wir haben keine Stimme uns zu offenbaren. Die Maske ist angewachsen auf unseren Gesichtern. Und alles was uns zu ihm oder ihr geführt hat, baut sich nun als Mauer vor uns auf – als unüberwindbares Hindernis.

Ich kehre den Boden, auf dem du schreitest? So nicht! Ich bin ein Wesen, dass sich nicht beugt, ich gehe meinen Weg mit Kurven und Sackgassen – aber es ist mein Gang, mein Weg, meine Entscheidung. Ja, ich liebe dich aber, wenn du mich leiden lässt, dann wird es sein, als wäre ich nie dagewesen. Denn dienen will ich nicht, genauso wenig wie herrschen.

Gehen wir aufeinander zu ohne Masken und hören uns an, was unser Gegenüber zu sagen hat, was er fühlt, wovor er Angst hat, worüber er nachdenkt und stellen uns gleichzeitig die Frage: Wie ist das bei mir? Erkenntnis ist die Frucht, die wir pflücken werden. Über uns, über die geliebten Menschen, über die Welt. Und wenn dann Machtgefälle ausgeglichen ist und wenn wir uns in die Augen schauen können ohne Lüge im Herzen, dann ist da die Chance auf eine Partnerschaft.

JB-04-2018

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Doppelhelix

Ein Gespräch mit dir hat mindestens zwei Wirklichkeiten
Mein Blick ins Wurmloch der Gezeiten
Berührung ohne Geländer
Unsre Geister Grabenlose Länder

Verrinnendes Gelächter gemalt auf dunkle Dielen
Verinnerlichter Blick in meinem heiligsten Raum
Und wieder reimt sich das auf Traum
Wie unsere Münder da spielen.

Ein Zweifel lässt das Glück versiegen
Was, wenn du gehst, wenn ich mich selbst vertreibe
Und ewig in der Schleife hängen bleibe
Die es bedeutet einen Geist zu lieben

Ich wache auf und finde Frieden
Im Sternenhimmel wird die Liebe siegen
Nicht nur die Griechen schrieben Wandellieder
Mir weckt der Frühling meine angespannten Glieder

Und wenn ich Wasser in mich selbst verwandel
Und mit mir wie mit allen andern handel
Und mir die Stirn mit Sternenlicht bekränze
Dann wird das Dunkel vertrieben durch meine Feuertänze.

JB-04-2018

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