Mond

Ein Lächeln, steht für sich. 
Ich bin nicht gemeint, 
Fühle meinen Herzschlag moll-betont.

Wer wohl dieses Lächeln von dir abverlangt, 
Es nicht sieht 
Und doch so in deinem Herzen thront?
Ich nun, vergesse diesen angstvoll runden Mond, 
Der sonst meine Flüchten vor Gefühl bescheint.

Dich jetzt aufzuschrecken, 
Das wage ich noch nicht. 
Will auch nicht wieder durch fernes Schwärmen, 
Träume unbefruchtet züchten.

Ich kann nicht von Liebe sprechen, 
Denn wir haben noch nicht viel gesprochen. 
Das ändern will ich liebend gern. 

JB 2022

Wirklichkeiten

Das Licht taut und darunter schwimmen die kalten Knochen im Malstrom. Ich beobachte das Bild und schaudere.

Ich flüchte in Traumwelten: in Biedermeier-Scheuersamstage und Klemptner*innen-Einsätze, zu den Flackernden Lichtern der Bildschirme: Playsi, Streaming oder Neurofeedback; egal: nur keine Nachrichten.

Auf Arbeit alltägliche Horrorgeschichten und Empowerment auf persönlicher Ebene. Nachweislich professionell nah, dokumentieren nicht vergessen.

Ich will keinen Krieg. In meiner Watchlist: 1917. Ich will Frieden. Und ich lese das „Tagebuch eines Zwangsarbeiters“ von Jan Bazuin. So viele Zeug*innen tot, das Papier redet an ihrer Stelle und das Unvorstellbare zementiert eine Anstalt in meinen Kopf, zu der ich immer noch gedanklich fliehe. Die Exkursion nach Pirna-Sonnenstein steht im Kalender. Was erwartet neurodiverse Menschen in der neuesten Dystopie?

Ich holpere durch die Straßen auf dem Rad, auf dem Weg zur nächsten überraschten Begegnung und rufe in Gesprächen „Nicht Spoilern!“.

Das Wort ist Gebrechen, der Satz ein Stock, auf den ich mich stütze. Der Punkt, die Gedankenpause. Verheddert bin ich, mit mehreren Wirklichkeiten umwickelt. Zwei waren doch genug! Es reiht sich in die Furcht, die Verwirrung: wie das auseinanderhalten, was zusammengehört? Wenn doch alles in mir ruft: „Zuviel, ich ertrage es nicht. Dieses Leiden und den Tod und die entsetzliche Macht so weniger Menschen über so viele.“

Dabei bin ich nicht krank und nicht gesund. Dabei bin ich nicht auf der Flucht und nicht daheim. Dabei bin ich nicht verzweifelt und auch nicht glücklich. Zwischenstand: ich bin am Leben. Ich bin (noch) in Sicherheit. Ich bin dabei zu heilen, wie lange noch? Gib mir mehr Zeit, ich will wissen, wie es ist, mit gesundem Selbstbewusstsein zu l(i)eben.

Das Leben will gelebt werden. Und werde ich mutiger, ehrlicher, ich fange wieder an zu schreiben. Für mich und andere. Das Leben will gelebt werden. In meinen Kleinen Kreisen verbirgt sich das nicht möglich Erscheinende: Hoffnung.

Der Malstrom wird dann zwischenzeitlich wieder zugedeckt von Licht. Und ohne Biedermeierernst stromere ich durch die Parks der Stadt. Höre anderen Menschen zu, die andere Sprachen sprechen, die ich (noch) nicht verstehe.

Wie schön wäre es, wenn überall friedlich sich begegnen und umarmen die, die das Weltall mit Super-Teleskopen erfassen und begreifen mit Blick zurück auf den Planeten, der uns gebar. Tief blicken wir heute in die Tiefen der Zeit. Wir sehen Augen und Fledermäuse da, wo Muster aus Materie sich verstricken. Ist der Glaube unser Ziel, oder zu wissen? Und ist es möglich, dieses Wissen auf Dauer oder bis zum Ende zu ertragen: Es hätte nicht so kommen müssen, es hätte schön sein können für alle: Pflanzen, Tiere, Menschen.

JB-07-2022

von der Autorin gemachtes Selbstporträt in schwarz-weiss, sie trägt eine große Brille und auf ihrem Kapuzenpullover ist ein Aufnäher gestickt: Stop Femicide. Sie schaut links an der Kamera vorbei und lächelt etwas.
Foto: Selbstportrait Autorin, Rollschuhbahn am Silbersee, Juli 2022