Darüber hinaus

Was Ermächtigung für mich heißt:
Ich erkämpfe mir meine Freiheit (zurück)
Ich erprobe, wie weit ich gehen kann
Ich ertaste Grenzen und überwinde sie
Teste aus
Ich gehe, so weit ich kann
Und darüber hinaus

Was Ermutigung für mich heißt:
Mein Leben zu leben
Ein Beispiel zu geben
Wie es auch laufen kann
Krisen anzusprechen
Und wie ich sie durchlebt habe
Probleme zu erläutern
Und wie ich sie gelöst habe

Was Entstigmatisierung für mich heißt:
Eine Krise schwächt Selbstwert, Körper nicht zuletzt Geist und Seele.
Das Umfeld re-agiert oft aus Angst, Unwissenheit, Sorge und auch mal aus Ignoranz.
Schuld ist die Folge für mich, Scham ist die Folge für mich, Angst ist die Folge für mich, Rückzug ist die Folge für mich:
STIGMA

Ich hole mir meine Unschuld zurück, ich hole mir meinen Mut zurück, ich hole mir meine Luft zum Atmen zurück, ich hole mir meine Neugier zurück auf die Welt, auf mein Wesen, auf meine Gefühle.
All das ist für mich wichtig, um zu gesunden.
Und das ist möglich: Gesund werden an Geist und Körper. Auch in dieser Welt.
Und dann anderen zu helfen, daran zu glauben und darauf zu hoffen, dass es wieder besser wird.

Leuchturmlicht
Was auch geschehen ist, ich will nicht im Trüben schwimmen.
Was auch passiert, ich will leben und das selbstbestimmt.
Klare Sicht auf das Heute ist mein Ziel, das Gestern und das Morgen verschwimmen im Spiel
der Gefühlsgezeiten, will darunter nicht mehr leiden und den Faden weiterspinnen, der mein Schicksal lenkt.
Eingedenk, derer die helfen, die da sind, die zuhören, die aufstehen und einstehen für sich und andere.
Ich will nicht kaputt gehen am System, ich will es entern und meine Sicht der Dinge offenbaren.
So wie wir waren, das ist geschehen, so wie wir sein werden, das wird entstehen, egal wie auch immer wir planen.
Und darum, bin ich gefahren und bin gelaufen und angekommen im Lauf der Wesen und dem Fluss der Gefühle, ich dreh mich um mich, ja, aber auch um meine Lieben.
Dieser Kreislauf wurde von mir nun achtsam aufgeschrieben.
Ein Lied für die Seele, die aufsteht und geht, wenn es nicht mehr geht, die sich hinsetzt und ausruht, wenn nichts mehr um sie steht, die wächst, wenn es regnet, die im Wald spaziert um Ruhe zu tanken, die in der Stadt umherstreift, um zu tanzen, die die Welt sieht im Ganzen.
Und warum nicht Blumen gießen, die in den Himmel schießen?
Das Ziel: Will wie ein Leuchtturm mir den Hafen weisen, glühen und flimmern und weiter leben und träumen und schreiben, für andere Zeiten.

JB-09-2018

 

Mein Dank geht auch an den Offenen Dialog Leipzig e.V.

Fotosafari – Kurzgeschichte

Die Fotosafari

Durch eine Linse betrachte ich dich, mit einem Knopfdruck mache ich mir ein Bild von dir. Dabei verlierst du weder deine Seele noch dein Leben. Du bist ein Schmetterling und sitzt auf einem Brombeerblatt. Was siehst du Schmetterling mit deinen Facettenaugen? Was kannst du erinnern? Ich komme dir so nah wie möglich, ohne dass du den Drang verspürst davon zu fliegen. Ich will dich nicht festhalten, nur den Moment. Und ich frage mich: Klammerst du dich an diese Blattoberfläche oder erscheint es mir nur so, da ich mich gerade an jemanden klammere?

Wir sind auf einen Hügel gestiegen, mein bester Freund und ich. Er fast immer einen halben Schritt vor mir die asphaltierte Straße hinauf, die sich um diesen künstlich aufgeschütteten Hügel windet. Der Hügel ist bewachsen von Eichen, Ahornbäumen und Buchen die so alt zu sein scheinen, dabei ist der Hügel erst nach dem zweiten Weltkrieg aus dem Schutt der Stadt Leipzig zusammen getragen worden. Überall ragen noch Reste von Mauerstücken aus der dunklen Erde.

Am Fuße des Hügels sind die Bäume umrankt von lianenähnlichen Schlingen. Wir fühlen uns wie im Urwald, dabei ist der Auenwald noch ein Stück entfernt, der wahre Urwald von Leipzig. Auch der Beginn unserer Freundschaft erscheint mir als ein so unglaublich weit entfernter Ort in der Vergangenheit. Es ist nun auch schon wieder 17 Jahre her. Damals in dieser Kleinstadt, in der sich ein paar Jugendliche zusammengefunden haben, die nicht auf Dreierschritt Disko standen, sondern auf die sogenannte Subkultur, die einfach nicht mit dem Strom schwimmen wollten und sich Gedanken darüber machten, warum es Grenzen geben muss und warum diese dann verteidigt werden müssen.

Als wir um den Hügel laufen, denken ich an die Geschichte der Stadt, und an die Geschichte des Landes, in dem ich zufällig geboren und aufgewachsen bin. Es erschüttert mich, denn es ist eine Geschichte aus Krieg, Feindseligkeit und Missgunst. Wie anders ist da die Beziehung gewesen, die aus unserer Freundschaft entstanden ist. Wir haben auf ein Fundament aufgebaut und das Haus geschmückt mit wilden Ranken. Aber es entstanden, wie in jeder Partnerschaft auch Missverständnisse, nicht zu erfüllende Ansprüche und oft haben wir uns auch zu sehr bei uns selbst ausgeruht.

Wir laufen weiter den Hügel hinauf um die letzte Biegung. Kommen an auf einem Plateau das mit Wiese bedeckt ist und umsäumt von einem Kranz aus Bäumen. Es gibt Sichtachsen, die die Skyline von Leipzig freigeben. Da ist das Rathaus mit seinem Turm, da ist der Weisheitszahn, der immer noch gern „Uniriese“ genannt wird. Ich halte den Augenblick fest mit meiner handlichen Digitalkamera. Die Stadt umrahmt vom frischen grünen Blattwerk. Ein Heißluftballon schwebt darüber. Auf dem Hügel flitzen Hunde über die Wiese einem Stock hinterher. Ein paar Leute sitzen auf einer Decke und genießen den Blick auf die Stadt.

So habe ich damals auch den Leipziger Süden kennengelernt. Mit seinen Altbauten und den Brachen dazwischen, den Menschen, die geschäftig und gesellig in den Straßen laufen, radeln und sitzen; die die noch vorhandenen Lücken mit Leben füllen. Damals mit ihm zusammen und glücklich bis auf ein paar Schutthaufen, die sich schon angesammelt hatten. Die Frage keimt in mir auf, warum Enttäuschungen schwerer wiegen als Liebesbeweise? Vielleicht, weil bei ersterem unfruchtbares wüstes Land zurückbleibt, das nicht mehr mit Pflanzen überwuchert wird, sondern da gerade dieser Schutt heraus schaut. Insbesondere, wenn man die Probleme nicht benennt und klein meißelt mit Aussprachen, so wie es in einer Partnerschaft doch eigentlich gut und richtig wäre. Soweit waren wir aber noch nicht und die Stadt tat ihr übriges uns einander fremd zu machen.

Der Schmetterling fliegt mir vor die Linse, erst bunt fluoreszierend mit aufgeklappten Flügeln, dann verschmilzt er mit dem dunklen Hintergrund. Unscheinbar, so habe ich mich auch immer gefühlt und ich wollte gesehen werden und ich wollte mich entwickeln, weiter gehen, war auf der Suche, immer getrieben nach dem nächsten fremden Augenpaar, der nächsten Iris in der ich mich spiegelte und die in einem Kopf ein Bild von mir festhielt. So viele interessante Lebensentwürfe, ein Versprechen von Freiheit und Selbstentfaltung lag in der Luft und ich öffnete meine Flügel, mit denen ich lange, lange Zeit zusammengeklappt auf einem Blatt mit dem Hintergrund verschmolzen war. Ich betrachtete mich durch die Augen der anderen und entdeckte mich neu. Als wenn mein Bewusstsein ein neues Zimmer gebaut hätte, vielleicht sogar ein neues Haus für mein Selbst.

Dieses Bild von dem Schmetterling, der als Raupe lebt und nie etwas anderes gekannt hat, bis er sich dann verpuppt und mit Flügeln aufwacht und ohne einen Moment zu zögern los fliegt, sich auf Blüten niederlässt, dort trinkt und weiter fliegt. So habe ich mich in der Stadt entpuppt und bin durch die Straßen geflogen, von Musik berauscht, von Menschen berauscht, von der Nacht berauscht. Ein Nachtfalter, geleitet vom Mond. Und auch die Beziehung zu meinem Freund hatte sich gewandelt. Wir sind nicht dauerhaft zusammen gezogen. Statt dessen habe ich mir eine Wohngemeinschaft gesucht, mich neu eingerichtet und mein inneres Zimmer in die äußere Welt platziert. Ich habe angefangen Gedichte zu schreiben beflügelt von einer Muse. Gefühle des Ankommens und des Abschieds begleiteten mich auf Schritt und Tritt.

Ich zeige meinem besten Freund das Foto des Schmetterlings auf dem Display und er sagt: „Wow, gut erwischt.“ Ich lache herzlich. Er schaut mich an wie er mich immer anschaut, offen und freundlich, bis auf den Zeitraum in der ich mich von ihm löste und er mir nach unserer Trennung vorwarf: „Du hast mir einen Dolch ins Herz gestoßen, ich wollte mit dir alt werden.“ Ich war damals so zerrissen, zwischen dem was war und dem was ich mir ausmalte, was mein Leben sein könnte. Ich war getrieben von dem Gedanken, dass andere mich besser verstehen, dass da jemand ist der mehr zu mir gehört. Ein Versprechen der unbekannten Zukunft schwebte im Raum. Ich war ungerecht meinem Partner gegenüber und mein Gefühl hat sich aufgemacht diese neue Räume zu entdecken, raus aus dem Schutt der Worte, die in meinem Kopf schwirrten und ihn schlecht machten und seine Vorzüge in den Dreck zogen.

„Leipzig ist passiert.“, so sage ich mir aber ist nicht eher eine Metamorphose in mir ausgelöst worden? Oder ist mein Ich einfach gewachsen durch den erweiterten Raum außen und innen, durch die Sinneseindrücke und Begegnungen, durch die neuen Möglichkeiten? Ich fotografiere, um die Erinnerungen in meinem Kopf mit der sogenannten objektiven Wirklichkeit abzugleichen. Dabei bestimme ich doch den Bildausschnitt, die Tiefenschärfe, die Helligkeit, sogar die Farbe, in der das Bild von der Kamera festgehalten wird. Dann schaue ich mir die Fotos auf meinem Computer an und erinnere mich, wie es war, sie zu machen, erinnere mich auch an den Moment und auch an was ich dabei gedacht habe, an das Gefühl, der Warmherzigkeit unter Freunden, an das Gefühl der Neugier unter mir noch fremden Leuten. Immer habe ich den Wunsch mich zu erinnern und daran zu wachsen. Wie ich auch an der Freundschaft mit diesem Menschen wachse, dem ich weh getan habe und der mir verziehen hat und jetzt Seite an Seite mit mir auf diesem Hügel aus Schutt steht und die Aussicht auf die Stadt genießt. Mit all unseren Wünschen, Vorstellungen und Träumen angereichert ist unser Bild dieses Ortes und was die Zukunft bringt ist nicht Schicksal sondern Entscheidung.

Johanna Blau 4.6.2018

 

Über die kleine Meerjungfrau

Die Geschichte der kleinen Meerjungfrau hat mich als Kind gepackt. Diese Seele, die das Gewohnte aufgibt, um sich der Liebe und dem Fremden hinzugeben. Es ist für mich nicht die Opferbereitschaft gewesen, die mich angesprochen hat – eher ihre Verwandlung und ihre Reise: Von Schwanzflosse zu schmerzenden Füßen, die sie nicht tragen wollen, in eine Welt, die ihr unbekannt ist, die sie jedoch anzieht.

Die kleine Meerjungfrau kennt die Welt über dem Meeresspiegel nur durch dass, was ihre Bewohner in der See verloren haben. Schiffswracks säumen den Meeresboden, Verlorenes wird durch das Mädchen neu entdeckt und sie reimt sich die irdische Welt vielleicht zusammen, wie wir, wenn wir ein Museum besuchen, Scherben in unserer Vorstellung zusammensetzen und die Grabbeigaben einer Priesterin bewundern.

Dann ist da ein Mensch, der von ihr gerettet und in seine Welt zurückgebracht wird. Was geht in ihr vor? Sie hat ihn gefunden und wieder verloren, weil er sonst sein Leben verloren hätte. Nun will sie ihm folgen, denn nichts ist ihr in ihrer Welt so vertraut wie sein Antlitz. Sie schließt einen Pakt mit der Seehexe, die ihr die Stimme raubt und ihr dafür den Gang an Land ermöglicht. Und dort taumelt sie nun umher, wie ein Schiff in sturmgepeitschter See. Der, den sie gerettet hat, erkennt sie nicht, wird getäuscht. Am Ende treibt sie als Meerschaum auf der Wasseroberfläche, weil sie es nicht schafft, sein Glück, ihn, zu zerstören.

Ist dies die Geschichte eines Opfertodes oder der Liebe, die am Gegenüber verzweifelt? Die Vorstellungen, die wir uns vom Geliebten machen beginnen mit Eindrücken, Gesten, Berührungen vielleicht. Erinnerungen, die im Museum unseres Geistes landen und dort bewahrt werden, bis dann der Ersehnte sich herablässt uns dort zu besuchen und alles scheint sich zu fügen. Fügung ist überhaupt eine Erscheinung in dieser Angelegenheit, die alle Mauerritzen ausfüllt, die unser benommener Geist vielleicht noch wahrnehmen könnte, in der Wand aus Ergebenheit. Wir folgen ihm oder ihr wohin auch immer und was auch immer es kosten mag. Doch die Ernüchterung folgt auf den Füßen, die über Messer laufen müssen und wir haben keine Stimme uns zu offenbaren. Die Maske ist angewachsen auf unseren Gesichtern. Und alles was uns zu ihm oder ihr geführt hat, baut sich nun als Mauer vor uns auf – als unüberwindbares Hindernis.

Ich kehre den Boden, auf dem du schreitest? So nicht! Ich bin ein Wesen, dass sich nicht beugt, ich gehe meinen Weg mit Kurven und Sackgassen – aber es ist mein Gang, mein Weg, meine Entscheidung. Ja, ich liebe dich aber, wenn du mich leiden lässt, dann wird es sein, als wäre ich nie dagewesen. Denn dienen will ich nicht, genauso wenig wie herrschen.

Gehen wir aufeinander zu ohne Masken und hören uns an, was unser Gegenüber zu sagen hat, was er fühlt, wovor er Angst hat, worüber er nachdenkt und stellen uns gleichzeitig die Frage: Wie ist das bei mir? Erkenntnis ist die Frucht, die wir pflücken werden. Über uns, über die geliebten Menschen, über die Welt. Und wenn dann Machtgefälle ausgeglichen ist und wenn wir uns in die Augen schauen können ohne Lüge im Herzen, dann ist da die Chance auf eine Partnerschaft.

JB-04-2018

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Tand und Tempel

Farbband ohne Sinn am Firmament
Eine Spur, die Hitze in den Himmel brennt
Ein Feuer, das mich nicht wärmt
Ein Käfer, der nur andere umschwärmt

Ein Lächeln ist alles, was Du verschenken willst
Wie Du meinen Hunger niemals stillst
Fühle mein Fühlen jetzt erkalten
Kann nicht mal mehr Deine Güte im Gedächtnis halten

Mein Zugewinn, ich gehe and’re Wege
Bau mir am Wasser neue Stege
Und fische Menschen mit meinem Herzen
Brenne oft noch an die alten Kerzen

Sandburgen hab ich oft schon mit gebaut
Sah mich doch nie als eine Braut
Keine Flucht ohne Fänger, doch das macht
mich nicht zur Jägerin in der langen Nacht

Ich träumte Liebe in Dein Herz
Ich schrieb mich ein in Deine Augen
Hab mich geirrt und all der Schmerz
Schmeckt lange nach wie bitt’re Trauben

Ein bares Gut, wie wir die Liebe suchen
Uns töricht übers Gras erheben
Und dann zusammen Flüge buchen
Die Sonne sinkt vor uns wie unser Leben

Dann wieder neu und wieder gleich
In Dunkel getaucht und doch so leicht
Im Flimmerglitterliebesland
Ist Liebe Tand.

Zu viel: Ich tauchte ab und fand
In meinen langen Träumen
Ein grenzenloses Land
Wo Blumen kurvige Wege säumen

Tempelberg auf einem Hügel
Nichts wird dort geopfert
Und ewig floss der Strom Gefühl
Wo mein Ruf wird oft erhört

Will dieses Land nun ehren und entsagen
Der Macht, die mich in diesem Nebel irreleitet
Das Leben einer Nonne will ich planen
Und hoffen, das der Traum auch andere begleitet

Erwachen will ich und Geträumtes finden
In meiner Zeit an diesem Ort
Mich mit den Seelen anderer verbinden
Kommt Zeit, kommt Tat. Bis dahin halt ich Wort.

JB-01-2018

Der Eremit und die Sphinx

Wüste und tiefster Wald, wann würden sie sich treffen? Er lebt und atmet das Wissen der Bäume. Überbringt es nur selten den Menschenkindern. Sie lebt und atmet das Wissen des Sandes. Fragt die Menschen was sie träumen.

Ein Blatt vorm Mund wäscht seine Seele rein. Verlorene Pein ist sein Wesen nicht, aber Erinnerung. Daraus wäscht er das Gedächtnisgold und schmilzt es ein. In Weisheit bewahrt auf Baumkronen.

Ein Rätsel gibt ihr Wesen frei. Sie bittet um Fragen. Sie hellt alle Dinge auf, um ihren Besitzer zu verschlingen. Wahrheit ohne Gaben.

Am Wasser ruht er aus. Am Wasser leckt sie ihre Wunden. Ein Wasser trennt die heiligen Stunden. Sie sehen ihre Spiegelbilder.

Wer bist du fragt sie ihn? Bist du ein Gott?

Wer bist du fragt er sie? Bist du ein Ungeheuer?

Die Fragen verhallen auf der Spiegelfläche. Sie gehen ihrer Wege. Doch in Gedanken sieht er sie und sie sieht ihn.

Äste seine Krone. Ein Rabe sein Geleit. Allein in unsrer Zeit wie ich. Ein Geschöpf, das für sich spricht.

Aus Sand gebaut und unnahbar. Ihre Augen sprachen wahr. Und sie teilt ihr Wissen in Fragen die wir stellen müssen.

Am nächsten Tag das Wasser ruft. Beide wandern vorbei an der nassen Schlucht. Bei Delphi treffen sie aufeinander. Er wahrt ihre Größe, sie sieht seinen Traum.

Ich erkenne dich und frage dich: Wer bist du?

Ich bin auf der Suche nach meinem zu Hause. Warum fragst du?

Ich frage um zu leben. Warum bist du hier?

Ich habe dich gesehen als mein Spiegelbild. Dein Auge hat mir versprochen wahr zu sein. Täuscht es mich?

Ich täusche nie. Wahrheit ist meine Waffe. Du bist allein.

Ich bin allein mit mir und wechsle meine Orte denn mein Heim ist die Welt. Gefunden habe ich was ich suche in der Frage. Frage weiter!

Was bin ich?

Du bist der Spiegel, der zu uns Wahrheit spricht. Du nimmst meine Scheuklappen und ich sehe, was ich sehen muss. Kein Nebel hüllt mehr meinen Geist ein. Ich sehe durch dich klar.

Das Wasser hat uns geleitet. Jetzt lass uns trinken. Und sie tranken vom Wasser des Lebens.

JB-01-2018

Auf dem Holzweg

Warum muss ich ans Atmen denken?
So viele, die Mühe damit haben.
Menschen, die ihr Herz ungünstig verschenken,
Menschen, die am Hungertuche nagen.

Das Leben, wie es versucht, mit Einsamkeit mein Selbst zu stehlen.
Ungesagtes hallt in meinem Schädel wider.
Die Schatten an der Wand soll ich als Freunde mir erwählen.
Mein Kopf singt mir die schönsten Weihnachtslieder.

Das Leben meiner Lieben ist mir teuer.
Ich spüre einen Stich, wenn ich sie weinen höre.
Mein Herz, es atmet Eis wie Feuer.
Mein Magen, wenn ich mich am Festessen störe.

Dann weiß ich plötzlich, was ich schreiben will.
Den Augenblick, möchte ich zur Lehre ziehen.
Für meine Seele ist es fast zu viel.
Würd‘ gern in traumlosen Schlaf entfliehen.

Die Worte hab‘ ich lang gemieden.
Ein Leiden hier, das wieder Worte schafft.
Und Punkte geben Halt dem Sätze schmieden.
Drehstuhl und Schreibtisch bedeuten nicht mehr Haft.

Ein Ende will ich keinem Leben schreiben.
Solch Närrin, welche hofft und bangt.
Will ewig am Gedichte sitzen bleiben,
Denn viele sind schon irgendwie erkrankt.

Kein Witz, kein Lachen und kein Segensspruch.
So gehe ich zu Bett, allein mit meinem Denken.
Die Welt lädt auf die Menschheit manchen Fluch.
Will sich wohl vom Holzweg in die Freiheit lenken.

Sind wir uns selbst die besten Henker?
Auch wenn das widersprüchlich scheint,
Spion und Angst verbrüdern sich in jeder Schänke.
Und irgendwo dann wieder eine Witwe weint.

Das Gift auf unsren Feldern frisst uns auf.
Der Honig fließt schon bald nicht mehr.
Dann nimmt das Schicksal seinen Lauf.
Als wenn es eine Gott gesandte Plage wär‘.

Wir schreiben Zukunft und gestalten Morgen.
Wir schieben auf und handeln wie ein Kind.
Ob Lügen, Täuschung oder braune Horden,
Ein Narr spielt mit dem Leben und das blind.

Was bleibt ist Zeugnis abzulegen und zu mahnen,
Wie es die Alten tun und meine Tränen lenken.
Ich schwöre ab dem Hass und all den Fahnen.
Der Zukunft werde ich meine Achtung schenken.

JB-12-2017

Das Leben eines Tagebuchs

Das Leben eines Tagebuchs

An meinem ersten Tagebuch ist ein Schloss gewesen. Den kleinen Schlüssel habe ich in einer Geldkassette aufbewahrt, deren Schlüssel aufzufinden wiederum nur ich fähig war, denn er verbarg sich in einer zugemüllten Schublade. Ich habe diesem Tagebuch viel anvertraut. Meinen aktuellen Schwarm, meine Ängste und Hoffnungen, meine alltäglichen Sorgen.

Auf die Innere Klappe habe ich am 9.07.1997 Folgendes geschrieben: „In diesem Tagebuch steht einiges was ich nicht wirklich so meine und daß mir in dem Augenblick als ich es schrieb wirklich cool vorgekommen ist. Es ist wirklich schwierig, das zu schreiben, was man denkt, wirklich denkt, wenn man im Unterbewußtsein immer daran denken muß, dass es ja irgendwann doch einmal jemand zu lesen bekommen kann. Also wenn das passiert, dann bekommt keinen Schreck, das meiste ist doch nur Rumgelabre.“

Damals war ich 15 und ich hatte mich immer mal hingesetzt und mein „Rumgelabre“ wieder durchgelesen und ich hatte mich schon damals immer wieder gewundert, wie selbstverständlich, die Tagebücher berühmter Schriftsteller von Nachlassverwaltern veröffentlicht wurden. Das kam für mich dem Veröffentlichen von niemals ausgesprochenen Gedanken gleich. Jetzt könnte das Argument kommen: „Aber warum hat er/sie es denn dann aufgeschrieben?“ Meine Antwort darauf: Um Gedanken zu sortieren, um sich an Geschehenes zu erinnern, um daraus zu schöpfen für den Lebensweg und als Orientierung: Wo komme ich her, wo stehe ich jetzt, wo gehe ich hin?

Niemals würde ich wollen, dass Menschen, die ich nicht kenne, und auch Leute, die ich kenne diese Hilfestellungen lesen. Einmal hat mein Ex-Freund in meinen Tagebuchkalender gelesen und eine Bemerkung von mir über jemanden, den er kannte fand er sehr lustig und hat mir davon erzählt. Ich bin aus allen Wolken gefallen, wie er es wagen kann, dieses Buch zu öffnen. Er meinte, er sei sich keiner Schuld bewusst gewesen, ich hätte es ja auf dem Tisch liegen lassen. Daraufhin, sagte, ich ihm, ich wäre davon ausgegangen, dass ein das ein unantastbares Heiligtum sei, egal wo es läge und ich würde es als Vertrauensbruch auffassen, mein Tagebuch zu lesen. Er entschuldigte sich aufrichtig.

Ich habe mich schon damals mit 15 mit dem Sachverhalt, dass Tagebücher veröffentlicht werden auseinandergesetzt und nun schreibe ich Gedichte, die ich ins Internet stelle. Lese die Blogs von anderen Leuten und überlege mir, wie viel ich von meiner Biografie preisgeben kann und will. Für wen schreibe ich? Vor allem für mich. Warum veröffentliche es dann? Gute Frage! Ich veröffentliche, damit es gelesen wird, damit es helfen kann, damit sich andere durch Worte fremder Menschen verstanden fühlen und nicht mehr so allein.

Es gibt dabei große Unterschiede zwischen dem was ich meinem Tagebuch anvertraue und dem, was ich beabsichtige zu veröffentlichen:

Die Form wäre da zunächst: Wenn ich Tagebuch schreibe, ist da nicht viel mit Synonymen, der zeitliche Ablauf wird durch die häufige Nutzung des Wortes „dann“ strukturiert. Einmal hatte ich den Gedanken, dass doch alles eher in Briefform zu gießen aber den habe ich schnell wieder verworfen, denn ich möchte mein Tagebuch für nicht gebetene Leser so langweilig und ausdruckslos wie möglich halten. Als Strafe vielleicht, als letzten Fluch der Schreiberin.

Dann ist da der Inhalt: Ich zensiere in Lyrik, wie in Prosa. Ich werde hier keine Namen nennen, wenn sich jemand erkennt oder sich an jemanden erinnert fühlt, dann so vage, dass niemand mich verklagen kann. Ich verhülle nicht meine Gefühle aber meine Person. Ich gebe mir ein Pseudonym und fühle mich dadurch bereit und befreit zu schreiben, was ich der Welt hinterlassen will.

Das was ich in Form gieße, gebe ich gern nach außen. Vielleicht wird das klarer mit folgendem Text, den ich vor kurzem geschrieben habe:

„Mit Sinnen erfahre ich.

In meinem Kopf sammle ich diese Erfahrungen als Erinnerungen ein.

Ich stelle mir vor sie als Fäden auf Spulen aufzurollen.

Dann nehme ich ein paar dieser Spulen und webe damit Stoffe.

Diese Stoffe sind mal einfarbig, mal gemustert, mal bunt. Je nach Tag, Laune und Zeit.

Wenn ich ein paar beisammen habe, webe ich mir daraus ein Kleid.“

Die Stoffe bleiben im Schrank. Die Kleider bin ich gern bereit zu geben.

Anne Franks Tagebuch ist ein so wichtiges Zeugnis der Geschichte. Franz Kafka, Terry Pratchett und viele andere berühmte Künstler_innen und auch Persönlichkeiten, je mehr ich über das Tagebuch schreiben schreibe, desto mehr interessiert mich, was andere davon hielten, Unveröffentlichtes, Unfertiges, Privates postmortem veröffentlicht zu wissen. Ob nun verbrannt oder gewalzt, was wäre und was ist uns entgangen? Ich schreibe von uns, denn ich bin Leserin und auch sehr neugierig. Ich interessiere mich für die Biografie eine_r Künstler_in. Da komme ich zur Frage, was ich über mich veröffentlichen möchte, was nicht in Form gegossen ist?

Ich habe Biografisches schon aufgeschrieben aber nur für bestimmte Leute und es gibt Tatsachen von denen ich mich nicht in ein Korsett drängen lassen will. Andererseits ist Kreativität oftmals auf der Schwelle zum verrückt sein angesiedelt, das scheint nichts erschreckend neues oder ungewöhnliches zu sein. Was wiederum mich beruhigt und befähigt weiter zu tippen.

Ich schreibe oftmals wie in Trance und prüfe erst später, ob es sich stimmig anfühlt, was ich da getippt habe. Wenn das der Fall ist, dann veröffentliche ich es auf auf meinen Blogs, auf verschiedenen Plattformen und als größte Herausforderung für mich auf Facebook. Ich teile mich in diesem Netz der Aufmerksamkeiten, ich bin die, die Ihre Diplomarbeit unter ihrem Geburtsnamen online stellt. Ich bin aber auch die, die als Johanna Blau Gedichte über Wir-Gefühl, über die Angst vor dem Wahn, über Hoffnung und Heilung durch Schreiben schreibt.

Verschmolzen sind diese Identitäten in einem Gedicht veröffentlicht von Kirsten Becken in dem wundervollen Kunstbuch „Seeing Her Ghosts“ unter meinem eigenen Namen. Das Gedicht heißt Zunder und es ist das erste, was in einem Buch von mir erschienen ist. Aber eben losgelöst von den anderen Gedichten, die ich unter dem Namen Johanna Blau veröffentlicht habe.

Wenn Freude und Leid aufeinander treffen in einer Person, zusammen mit Ideen von Verbindungen unter Menschen, die es ihnen unmöglich machen noch einander zu hassen, dann zeigt sich ein wandelbares Selbst der unerträglich schönen Welt. Wenn Leben und Kunst aufeinander treffen, dann frage ich mich, wie es weitergeht und immer wieder wer ich bin. Und so soll es sein.

Zunder

Ein Kleid genäht aus Zunder
Und wieder geh ich unter.
Schuhe gemacht aus Leid,
Langsam vergeht die Zeit.

Tanze zu Herzenstönen.
Will wieder dem Leben frönen.
Will wieder mit Lachen im Blick,
Weben an meinem Geschick.

Jana Burmeister