Über Fantastische Ausbrüche

Das ewige Kleinmachen, hat mich wütend werden lassen, so wütend, dass der Käfig, in dem ich hocke, ganz ausgebeult existiert in meiner Fantasie. Bin ich die, die ich war oder der, der ewig an die Türe geklopft hat? Gibt es überhaupt eine Trennung zwischen Selbst, dir und anderen? In Zuständen wabert das Gegenüber als Geist durch mich hindurch. Unangenehm und frei wir zu sein. In meiner Vorstellung sind zwei Ganze zusammen etwas neues Ganzes. Etwas Verbundenes: frei und gestärkt.
Aus diesen Fantasien und Geschichten möchte ich ausbrechen, möchte mich neu und neugierig erfahren, auch andere. Spaltungen aufheben, wie eine Schnur, die auf den Boden geworfen wurde, wann und von wem auch immer.
Ich als Mensch bin ganz in meiner komplexen Charakterstruktur. Ich will gesehen werden, ich will Interesse erzeugen und in meiner Seele soll ein Licht entzündet werden, wie ich mit meinem Interesse Licht in anderen zünden möchte. Die Liebe als Licht in dieser Zeit des Nebels. Die Liebe als Klarheit in Zeiten der Fragen ohne wirklich wahrhaftige Antworten.
Das Kleinste hat Freundschaft mit dem Größten geschlossen, wenn meine Hände Luft umarmen, ist da Sonnenschein, Welle oder Teilchen; ist da Regen, magnetisches Wasser von der Schwerkraft, in meine Hände gelenkt.
In allen Alltagsbegegnungen steckt eine Magie, welche Ohnmacht in Frage stellt. Die Zeit in meinem Kopf sagt mir die richtige Stunde: zu Ruhen, zu Tanzen, zu Begegnen.
Das Handeln, ein Schweif aus Erfahrungen, Hoffnungen und Ängsten, thronend über der wagen Zukunft, wurzelnd in subjektiv erinnerter Vergangenheit.

Worauf ich hinaus will? Jede Zeit ist die richtige oder falsche, einen Sprung ins Ungewisse zu wagen. Die Frage ist: Bin ich bereit? Ist das Leben nicht so falsch oder richtig, wie unsere Vorstellung davon? Ist der andere Mensch mit seinen Wünschen, seiner Last, seiner Freude, seinem Leid und seinem Hoffen in uns ein Spiegel? Woraus besteht das Spiegelbild, außer aus schwerem Blei?
Mein Selbst ist die Summe von vielen Spiegeln, mein Ich ist eine Erinnerung an einen Traum, doch ich erfinde mich neu, wenn ich erwache. Jeder Tag ist ein Versuch meiner Stimme, hörbar zu werden für mich und für andere.
Die Stangen des Käfigs, in dem ich mich regelmäßig wiederfinde, sind immer auch die Ängste des letzten Tages, der letzten Begegnung mit anderen und mit mir selbst. Ruhe finde ich da, sammeln kann ich mich da. Meine Träume entwickeln sich da. Aber dann muss ich aufstehen, während der Käfig als Illusion sich entlarvt, auch wenn es kurz schmerzt in den Knochen, den Faszien, den Muskeln darin, dann weil ich ungewohnt aufgerichtet atme. Mein Körper ein Wachstumsschmerz und ich fange an, daraus ein Lied zu dichten.
Mein Mund öffnet sich, die Töne, entlockt der feinen Umarmung mit meinem Leben, entstehen. Der Blasebalg pumpt Luft in meinen kräftigen Lungen, mein Leben atmet mich immer wieder ein und aus. Der Klang meiner Erfahrung ist das Klangexperiment, was ihr hört, lest. Es beginnt …
Frieden allem Leben. Frieden aller Existenz. Wut in meinem Bauch, auf die welche, das Leben schänden. Wut in meinem Herzen, auf die, welche die Liebe für ihre Zwecke nutzen. Wut in meinem Kopf, auf die welche die Lüge zelebrieren und die Wahrheit nackt verhöhnen.
Werte nicht Wärter sollen regieren. Sorgen in den Händen der falschen Menschen, vermehren sich wie der magische Brei im Märchen. Darum sollte Hoffnung die Währung unseres Miteinanders sein. Hoffnung sollte der Kompass sein für unsere gemeinsamen Entscheidungen.
Ich bin mit meinem Herzen, mit meinem Willen und mit meinem Verstand verwoben. Ich bin verwoben mit der Welt, der Gesellschaft, mit euch. All diese Verbindungen schmerzen und lassen mich gleichzeitig frohlocken. In meinem Organismus ist Nichts allein. In mir kommt Nichts nicht von außen. Wie soll ich mich schützen, vor dem was kommt? Ich schreibe dagegen an. Das ist meine Antwort auf eure Fragen. Und wenn ich stürze, fällt ein Baum der Erkenntnis wieder in Ungnade, und wenn ich stürze, ist die tiefe Nacht fast vorbei. Was folgt, überlasse ich eurer Fantasie.

Johanna nion Blau, 12.10.2025

Wenn ich Erde und Mond in meine Träume lenke

So seufzt dein Auge mir entgegen.
Zuerst erspart mein Leid mir Mitgefühl.
Dann will ich dir ergeben meine Stimme sanft erheben.
Doch bleibt dein Herz gebrochen, fast wie ein Fossil.

In meiner Mitte fehlt die Spur.
Und ohne dich baumle ich herum ganz eingewoben.
Die Spinne des Schicksals will meinen Schwur.
Ich soll mein Glück für mich allein erproben.

Die „Macht des für sich Seins“ soll ich erkunden,
Die in so vielen meiner Stunden bebt.
Für wen habe ich sie einstmals denn erfunden,
Wenn meine Seele einsam neben allen anderen Menschen schwebt?

Wenn ich jetzt und hier deinen Namen denke,
Sind Raum und Zeit reine Illusionen.
Wenn ich Erde und Mond in meine Träume lenke,
Wirken spannungsvolle Kräfte, die auch uns innewohnen.

Die Gischt der Wellen zeigt die Kraft des Mondes.
Er zieht am Meer, an Kronen und am Stein.
Die Erde gibt sich hin, sterblich wie alles.
Materie ist Energie gepresst ins Sein.

Was uns wachsen macht, sind zwischenmenschliche Bindungen.
Die Liebe kommt und geht, wie die Gezeiten.
Im Fluss folgt jeder Tropfen des Bettes Windungen.
Wasser ist Wandel, auch für die die bleiben.

Meine Macht ist Liebe; sieh mich Bäume pflanzen.
In jedem Sprössling wächst der Welten raue Kraft.
Ihr Tagwerk ist das Geben: Blätter, die im Winde tanzen.
Und das Nehmen gehört vollständig der Nacht.

Johanna Blau, Januar 2024

Ich schenke dir ein Licht

Ich schenke dir ein Licht,
Gegen die, die dich fressen wollen mit Haut und Haar, gegen die , die dir Schlechtes wollen. Gegen die, die dich übervorteilen und ausnutzen wollen, bis nichts mehr bleibt, was für sie nützlich ist. Gegen die, die dir erzählen, dass du so wie du bist, nicht okay bist.

Ich schenke dir ein Licht:
Du bist okay. Du bist wertvoll. Und du bist wichtig, nicht nur für mich.
Du zählst. Deine Meinung, deine Worte, dein Wille, das alles zählt, nicht nur für mich.
Du bist nicht abhängig davon, was andere über dich denken, und von dir erzählen. Du bist, wer du bist und das ist gut so.

Wenn du dich nicht mehr findest, zurechtfindest, wenn du nicht mehr zurechtkommst:
Schalt das Licht an und schau dich um.
Wer wird geblendet? Wer versucht, das Licht zu löschen? Wer wärmt sich daran? Und wer fragt dich, wie er oder sie helfen kann, dass es nicht wieder ausgeht.
Wer hilft dir, das Licht hell erstrahlen zu lassen?

Johanna Blau, 19.01.2024

Narrenjahre

Dieses Zeitgefühl
Ein Schicksalsspiel
Ich tanze zu Unmöglichkeiten
Im Hunger der Gezeiten

Mahnmal vor Millionen
Will mich selbst schonen
Stolpere in ein Dilemma
Entscheidungen noch unklar

Ein Wort, das den Boden zerbricht
Stehe in meiner Pflicht
Mein Selbst nicht preiszugeben
Mir öfter zu vergeben

Erwartungen und Träume
Pflanze wieder Bäume
Aus Nussschalen baue ich Boote
Mit denen ich Tiefe auslote

Ich bin eine Frau, die fühlt
In der fruchtbaren Erde wühlt
Verschlossene Wut entfesselt
Wir haben uns so oft verzettelt

Das umso größer Alles scheint
Die Kraft, die uns eint
Ist Einfühlung und Akzeptanz
So sehen wir uns ganz

Das Heldentum ist abgewählt
Die Tage der Herrschaft sind gezählt
Da wird Turm zur Brücke verbaut
Neu wer lieben Augen traut

Traum wird Wahrheit
Mit offener Augen Klarheit
Begegne ich einem Wesen
Will in ihm lesen

JB-10-2018

Schwanengesang

Mein Traum ist Teilen ohne Herrschen.
Partnerschaft statt noch ein süßes Pärchen.
„Ihr passt so gut zusammen.
Vermehrt euch ohne nachzudenken.“
Ich sehe schon die Flammen
Und uns unsren Kahn den Höllenfluss hinab lenken.

Kein Teufel soll mich an dich binden.
Werd öfter suchen als finden.
Mal probieren,
Mal kennenlernen.
Dich hofieren,
Mich entfernen.

All das um einen zu erkennen.
Deinen Namen im Schlaf zu nennen.
Im Schatten hast du lang gewartet.
Dich so oft zurückgenommen.
Auf ein Lächeln hin, Gift geatmet.
Hast Schlachten verloren, doch den Krieg gewonnen.

Bin keine Helena,
Mir selber selten nah.
Doch was ich von dir sah,
Bringt mich zum Träumen.
Mein Name: Johanna.
Finde mich unter bunten Bäumen.

JB-10-2018

Darüber hinaus

Was Ermächtigung für mich heißt:
Ich erkämpfe mir meine Freiheit (zurück)
Ich erprobe, wie weit ich gehen kann
Ich ertaste Grenzen und überwinde sie
Teste aus
Ich gehe, so weit ich kann
Und darüber hinaus

Was Ermutigung für mich heißt:
Mein Leben zu leben
Ein Beispiel zu geben
Wie es auch laufen kann
Krisen anzusprechen
Und wie ich sie durchlebt habe
Probleme zu erläutern
Und wie ich sie gelöst habe

Was Entstigmatisierung für mich heißt:
Eine Krise schwächt Selbstwert, Körper nicht zuletzt Geist und Seele.
Das Umfeld re-agiert oft aus Angst, Unwissenheit, Sorge und auch mal aus Ignoranz.
Schuld ist die Folge für mich, Scham ist die Folge für mich, Angst ist die Folge für mich, Rückzug ist die Folge für mich:
STIGMA

Ich hole mir meine Unschuld zurück, ich hole mir meinen Mut zurück, ich hole mir meine Luft zum Atmen zurück, ich hole mir meine Neugier zurück auf die Welt, auf mein Wesen, auf meine Gefühle.
All das ist für mich wichtig, um zu gesunden.
Und das ist möglich: Gesund werden an Geist und Körper. Auch in dieser Welt.
Und dann anderen zu helfen, daran zu glauben und darauf zu hoffen, dass es wieder besser wird.

Leuchturmlicht
Was auch geschehen ist, ich will nicht im Trüben schwimmen.
Was auch passiert, ich will leben und das selbstbestimmt.
Klare Sicht auf das Heute ist mein Ziel, das Gestern und das Morgen verschwimmen im Spiel
der Gefühlsgezeiten, will darunter nicht mehr leiden und den Faden weiterspinnen, der mein Schicksal lenkt.
Eingedenk, derer die helfen, die da sind, die zuhören, die aufstehen und einstehen für sich und andere.
Ich will nicht kaputt gehen am System, ich will es entern und meine Sicht der Dinge offenbaren.
So wie wir waren, das ist geschehen, so wie wir sein werden, das wird entstehen, egal wie auch immer wir planen.
Und darum, bin ich gefahren und bin gelaufen und angekommen im Lauf der Wesen und dem Fluss der Gefühle, ich dreh mich um mich, ja, aber auch um meine Lieben.
Dieser Kreislauf wurde von mir nun achtsam aufgeschrieben.
Ein Lied für die Seele, die aufsteht und geht, wenn es nicht mehr geht, die sich hinsetzt und ausruht, wenn nichts mehr um sie steht, die wächst, wenn es regnet, die im Wald spaziert um Ruhe zu tanken, die in der Stadt umherstreift, um zu tanzen, die die Welt sieht im Ganzen.
Und warum nicht Blumen gießen, die in den Himmel schießen?
Das Ziel: Will wie ein Leuchtturm mir den Hafen weisen, glühen und flimmern und weiter leben und träumen und schreiben, für andere Zeiten.

JB-09-2018

 

Mein Dank geht auch an den Offenen Dialog Leipzig e.V.

Fotosafari – Kurzgeschichte

Die Fotosafari

Durch eine Linse betrachte ich dich, mit einem Knopfdruck mache ich mir ein Bild von dir. Dabei verlierst du weder deine Seele noch dein Leben. Du bist ein Schmetterling und sitzt auf einem Brombeerblatt. Was siehst du Schmetterling mit deinen Facettenaugen? Was kannst du erinnern? Ich komme dir so nah wie möglich, ohne dass du den Drang verspürst davon zu fliegen. Ich will dich nicht festhalten, nur den Moment. Und ich frage mich: Klammerst du dich an diese Blattoberfläche oder erscheint es mir nur so, da ich mich gerade an jemanden klammere?

Wir sind auf einen Hügel gestiegen, mein bester Freund und ich. Er fast immer einen halben Schritt vor mir die asphaltierte Straße hinauf, die sich um diesen künstlich aufgeschütteten Hügel windet. Der Hügel ist bewachsen von Eichen, Ahornbäumen und Buchen die so alt zu sein scheinen, dabei ist der Hügel erst nach dem zweiten Weltkrieg aus dem Schutt der Stadt Leipzig zusammen getragen worden. Überall ragen noch Reste von Mauerstücken aus der dunklen Erde.

Am Fuße des Hügels sind die Bäume umrankt von lianenähnlichen Schlingen. Wir fühlen uns wie im Urwald, dabei ist der Auenwald noch ein Stück entfernt, der wahre Urwald von Leipzig. Auch der Beginn unserer Freundschaft erscheint mir als ein so unglaublich weit entfernter Ort in der Vergangenheit. Es ist nun auch schon wieder 17 Jahre her. Damals in dieser Kleinstadt, in der sich ein paar Jugendliche zusammengefunden haben, die nicht auf Dreierschritt Disko standen, sondern auf die sogenannte Subkultur, die einfach nicht mit dem Strom schwimmen wollten und sich Gedanken darüber machten, warum es Grenzen geben muss und warum diese dann verteidigt werden müssen.

Als wir um den Hügel laufen, denken ich an die Geschichte der Stadt, und an die Geschichte des Landes, in dem ich zufällig geboren und aufgewachsen bin. Es erschüttert mich, denn es ist eine Geschichte aus Krieg, Feindseligkeit und Missgunst. Wie anders ist da die Beziehung gewesen, die aus unserer Freundschaft entstanden ist. Wir haben auf ein Fundament aufgebaut und das Haus geschmückt mit wilden Ranken. Aber es entstanden, wie in jeder Partnerschaft auch Missverständnisse, nicht zu erfüllende Ansprüche und oft haben wir uns auch zu sehr bei uns selbst ausgeruht.

Wir laufen weiter den Hügel hinauf um die letzte Biegung. Kommen an auf einem Plateau das mit Wiese bedeckt ist und umsäumt von einem Kranz aus Bäumen. Es gibt Sichtachsen, die die Skyline von Leipzig freigeben. Da ist das Rathaus mit seinem Turm, da ist der Weisheitszahn, der immer noch gern „Uniriese“ genannt wird. Ich halte den Augenblick fest mit meiner handlichen Digitalkamera. Die Stadt umrahmt vom frischen grünen Blattwerk. Ein Heißluftballon schwebt darüber. Auf dem Hügel flitzen Hunde über die Wiese einem Stock hinterher. Ein paar Leute sitzen auf einer Decke und genießen den Blick auf die Stadt.

So habe ich damals auch den Leipziger Süden kennengelernt. Mit seinen Altbauten und den Brachen dazwischen, den Menschen, die geschäftig und gesellig in den Straßen laufen, radeln und sitzen; die die noch vorhandenen Lücken mit Leben füllen. Damals mit ihm zusammen und glücklich bis auf ein paar Schutthaufen, die sich schon angesammelt hatten. Die Frage keimt in mir auf, warum Enttäuschungen schwerer wiegen als Liebesbeweise? Vielleicht, weil bei ersterem unfruchtbares wüstes Land zurückbleibt, das nicht mehr mit Pflanzen überwuchert wird, sondern da gerade dieser Schutt heraus schaut. Insbesondere, wenn man die Probleme nicht benennt und klein meißelt mit Aussprachen, so wie es in einer Partnerschaft doch eigentlich gut und richtig wäre. Soweit waren wir aber noch nicht und die Stadt tat ihr übriges uns einander fremd zu machen.

Der Schmetterling fliegt mir vor die Linse, erst bunt fluoreszierend mit aufgeklappten Flügeln, dann verschmilzt er mit dem dunklen Hintergrund. Unscheinbar, so habe ich mich auch immer gefühlt und ich wollte gesehen werden und ich wollte mich entwickeln, weiter gehen, war auf der Suche, immer getrieben nach dem nächsten fremden Augenpaar, der nächsten Iris in der ich mich spiegelte und die in einem Kopf ein Bild von mir festhielt. So viele interessante Lebensentwürfe, ein Versprechen von Freiheit und Selbstentfaltung lag in der Luft und ich öffnete meine Flügel, mit denen ich lange, lange Zeit zusammengeklappt auf einem Blatt mit dem Hintergrund verschmolzen war. Ich betrachtete mich durch die Augen der anderen und entdeckte mich neu. Als wenn mein Bewusstsein ein neues Zimmer gebaut hätte, vielleicht sogar ein neues Haus für mein Selbst.

Dieses Bild von dem Schmetterling, der als Raupe lebt und nie etwas anderes gekannt hat, bis er sich dann verpuppt und mit Flügeln aufwacht und ohne einen Moment zu zögern los fliegt, sich auf Blüten niederlässt, dort trinkt und weiter fliegt. So habe ich mich in der Stadt entpuppt und bin durch die Straßen geflogen, von Musik berauscht, von Menschen berauscht, von der Nacht berauscht. Ein Nachtfalter, geleitet vom Mond. Und auch die Beziehung zu meinem Freund hatte sich gewandelt. Wir sind nicht dauerhaft zusammen gezogen. Statt dessen habe ich mir eine Wohngemeinschaft gesucht, mich neu eingerichtet und mein inneres Zimmer in die äußere Welt platziert. Ich habe angefangen Gedichte zu schreiben beflügelt von einer Muse. Gefühle des Ankommens und des Abschieds begleiteten mich auf Schritt und Tritt.

Ich zeige meinem besten Freund das Foto des Schmetterlings auf dem Display und er sagt: „Wow, gut erwischt.“ Ich lache herzlich. Er schaut mich an wie er mich immer anschaut, offen und freundlich, bis auf den Zeitraum in der ich mich von ihm löste und er mir nach unserer Trennung vorwarf: „Du hast mir einen Dolch ins Herz gestoßen, ich wollte mit dir alt werden.“ Ich war damals so zerrissen, zwischen dem was war und dem was ich mir ausmalte, was mein Leben sein könnte. Ich war getrieben von dem Gedanken, dass andere mich besser verstehen, dass da jemand ist der mehr zu mir gehört. Ein Versprechen der unbekannten Zukunft schwebte im Raum. Ich war ungerecht meinem Partner gegenüber und mein Gefühl hat sich aufgemacht diese neue Räume zu entdecken, raus aus dem Schutt der Worte, die in meinem Kopf schwirrten und ihn schlecht machten und seine Vorzüge in den Dreck zogen.

„Leipzig ist passiert.“, so sage ich mir aber ist nicht eher eine Metamorphose in mir ausgelöst worden? Oder ist mein Ich einfach gewachsen durch den erweiterten Raum außen und innen, durch die Sinneseindrücke und Begegnungen, durch die neuen Möglichkeiten? Ich fotografiere, um die Erinnerungen in meinem Kopf mit der sogenannten objektiven Wirklichkeit abzugleichen. Dabei bestimme ich doch den Bildausschnitt, die Tiefenschärfe, die Helligkeit, sogar die Farbe, in der das Bild von der Kamera festgehalten wird. Dann schaue ich mir die Fotos auf meinem Computer an und erinnere mich, wie es war, sie zu machen, erinnere mich auch an den Moment und auch an was ich dabei gedacht habe, an das Gefühl, der Warmherzigkeit unter Freunden, an das Gefühl der Neugier unter mir noch fremden Leuten. Immer habe ich den Wunsch mich zu erinnern und daran zu wachsen. Wie ich auch an der Freundschaft mit diesem Menschen wachse, dem ich weh getan habe und der mir verziehen hat und jetzt Seite an Seite mit mir auf diesem Hügel aus Schutt steht und die Aussicht auf die Stadt genießt. Mit all unseren Wünschen, Vorstellungen und Träumen angereichert ist unser Bild dieses Ortes und was die Zukunft bringt ist nicht Schicksal sondern Entscheidung.

Johanna Blau 4.6.2018