Belanglos fließt die Zeit in tausend Muster.
Wer verlangt von mir, dass ich meinen Brustkorb öffne?
Gore und Liebe in Triebe geflossen, die für sich alleine gehen.
Kramt in der Mottenkiste, der Verflossenen, um sich selbst zu sehen.
Verlangen und Sehnsucht jagen sich.
Wir waren dabei, die Regeln zu schreiben, für ein Spiel, welches wir zusammen spielen wollten.
Doch wie immer kommt die Welt dazwischen, das Timing ist beschissen und der Spieß dreht sich um über dem Magma von Herzensangelegenheiten, mit Apfel im Mund dreh ich mich um mich selbst und lass mich braten.
Wilde Gärten rufen, die Saat ist bereitet, erholt sich vom Dauerregen, geht auf und wirft Saat ab, die in der Dürre wartet.
Johanna Blau 4*2023
Wenn ich ganz bei mir bin, tauche ich ab und vergesse Erdbeben und Krieg, schreibe über Zwischenräume und erschrecke dann, da ich denke, ich könnte von anderen als ignorant wahrgenommen werden. Dabei ist das „Vergessen“ eher umformen. Es ist meine Art mit dem alltäglichen Wahnsinn umzugehen, der uns alle umfließt.
Wenn ich ganz bei mir bin, zeichne ich Zähne und Augen von unzähligen Tieren. Zeichne, als wäre ich alleine auf der Welt und dann lade ich ein Foto davon hoch und hoffe auf Reaktionen. Vielleicht in Form von Likes, vielleicht aber auch einfach in Form eines Gesprächs über die Unmöglichkeit sich abzugrenzen, auch wenn es wirklich nötig wäre. Überall sind da Spitzen, die die Dicke Haut durchstechen und Augen, die durch die Milchglas-Fassade schauen können.
Ist diese Art kreativ zu arbeiten notwendig; so tun, als wäre alles für mich, um es dann doch zu teilen mit mir fremden Menschen?
Es gibt diese Hoffnung im kreativen Schaffensprozess, dass es einen Unterschied machen könnte, für wenigstens eine Person. Dass es Freude bringen könnte, oder Hoffnung oder die erleichternde Tränen, darüber, dass es noch jemanden gibt, der so denkt, fühlt, handelt wie ich selbst.
Was mich angeht; ich bin nicht kompromisslos, ich bin nicht mutig und ich bin nicht schonungslos offen. In dem von mir gesetzten Rahmen bin ich ehrlich und ich selbst. Aber nicht alles, was mir durch den Kopf geistert, werde ich so bald in Texte oder Bilder gießen. Das wann und wie behalte ich mir vor. Gerade, wenn es noch Gespinste sind, die durch das Formen in sich zusammenfallen würden, klebrigen Matsch hinterlassend, wäre es schade um die Idee. Ich muss warten, bis sich das Gerüst festigt, erst dann kann ich die Gedanken weiterentwickeln.
Das, was ich veröffentliche, das habe ich eine Zeit lang hin und her bewegt in meinem Geiste. Das habe ich umwandert, wie einen Marmorblock, in dem etwas schlummert, das ich erst erkennen muss. Und wenn ich anfange, es herauszumeißeln mit Worten oder mit Linien, dann ist da immer noch viel Intuition und Versuchen, aber es ist dann eine Geschichte, die erzählt werden möchte.
Eine Geschichte, die ich selbst nie erlebt habe, vielleicht. Eine Geschichte, die mir erzählt wurde, eine Geschichte von der Liebe, vom Leben, vom Sterben. Alles in allem eine Geschichte, die schon oft erzählt wurde, aber der ich eine Nuance hinzufüge, persönlich und entschlossen. Die Lesenden werden wiederum, etwas damit anfangen können oder auch nicht.
Mir ist es wichtig mich abzuschotten im Prozess des Entstehens, mich verletzlich zu machen, durchlässig. So zu werden, wie ich nie einen Einkauf oder eine Tramfahrt heil überstehen würde. So zu werden, dass es fließt, dass etwas werden kann. Das Wissen, dass ich dieses Etwas teilen kann mit anderen Menschen, dass sie es aufnehmen und vielleicht umwandeln oder auch vergessen, bereichert mein Schreiben. In diesem Raum bin ich nicht allein, es gibt da ein Du, auf das ich mich hinbewege.
Ein Bild: Ein Baum, jede Wurzelfaser: eine Idee. Darüber der Stamm aus allen Kunstwerken, die je geschaffen wurden und noch geschaffen werden. Darüber, die Krone aus Ästen und Zweigen: aus unzähligen Gedanken und unseren daraus folgenden Taten.
Stuttering through the mud of words
The shining people that listen anyway
I am about to rave through the pieces left of civic engagement
Dancing like I don’t care, but I do
About you, about everything
But how in this world of slumber
Can I not be another number
How can I set free my force
How not to make things worse
In this place, where mountains fade
There is no way to debate
This smile is an invitation
For luck, for love, for levitation
Heaven sent or raised by hell
Here on earth is where I shall make my peace
Here is where ends meet so well
Johanna Blau 31.12.2022
Die Hoffnung ist verschütt gegangen unter der Angst und der Unsicherheit, so dass ich nicht fähig bin sie zu befreien. Ich sitze neben diesem Trümmerhaufen und warte. Ich warte darauf, dass ES besser wird. Ich warte darauf, dass ich wieder etwas empfinde. In diesem Zustand zu schreiben ist nicht leicht. Der Innere Kritiker sitzt neben mir, zeigt auf den Haufen und flüstert mir ins Ohr: Das bist du! Ich kann nicht widersprechen, ich habe keine Gegenargumente. Jedoch fühle ich Tränen in mir aufsteigen. Ich fühle. Ich fühle, das bin nicht ich, ich bin nicht Zweifel geboren aus Unsicherheit, ich bin nicht Ungewissheit geboren aus Angst. An einem Tag wie heute, nehme ich den Haufen, packe ihn in einen großen Rucksack und mache mich auf den Weg.
Es fällt mir schwer vorwärtszukommen. Ich müsste eine Ameise sein, bedenkt mensch, welche Last ich schultere. Und was tue ich? Ich schreibe und ich bin. Um mich abzugrenzen von meiner Angst, meiner Unsicherheit schreibe ich. Diesen Rucksack werde ich an einem guten Tag absetzen, ihn öffnen und hineinschauen. Ich werde die Angst betrachten, die mich lähmt und mit ihr sprechen, wie mit dem kleinen Kind, welches ich einmal war. Ich werde die Unsicherheit betrachten, und sie fest umarmen. Das alles wird nicht morgen geschehen, aber vielleicht schon bald, dann werde ich Angst und Unsicherheit auf den Weg schicken. Sie werden noch eine Weile neben mir laufen. An einer Biegung des Weges werden wir uns verabschieden, an einer anderen Gabelung sicher wiedersehen.
Und die Hoffnung? Wie in Pandora’s Box sitzt sie ganz unten eingequetscht und bekommt kaum Luft. Ich hole sie heraus aus und werde geblendet. Der Stern in meiner Hand strahlt Wärme und Zuversicht aus. Ich werfe die Hoffnung in die Höhe. Sie setzt sich ans Himmelszelt und strahlt da nicht nur für mich. Sie strahlt für alle, die sie sehen gerade sehen müssen.
Meine Texte sollten Spiegel für mich sein, in die ich gern schaue. In letzter Zeit, hatten meine Spiegel Sprünge oder waren teilweise blind. Was mich angeht, hat etwas Wichtiges gefehlt. Bin ich ehrlich zu mir und in dem, was ich schreibe? Nicht mehr wirklich, war ich es je? Ja, soweit ich mir Dinge bewusst gemacht habe, und diese auch zum Anlass genommen habe, zu schreiben, war ich ehrlich. Aber nun vermeide ich ein Thema, was mir gerade essenziell wichtig ist: Einen Teil meiner Identität. Ich bin in Vielem uneins mit mir; was ich weiß, ist: Ich bin bi.
Gerade lese ich, wie vielleicht viele andere auch Julia Shaws Buch „Bi“ und bin erstaunt, entsetzt aber auch oft glücklich über die Fakten, die dieses Buch bereithält. Das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe ging mir meist ab. Egal ob Musikstil oder Hobby oder auch sexuelle Orientierung, ich fühlte mich nie, als würde ich genau passen, als wäre ich irgendwo zu Hause oder auch willkommen. Natürlich habe ich Orte, an denen ich mich wohlfühle, aber so richtig zu Hause fühle ich mich unter anderen Leuten nur sehr selten. Das hat mit Grübeln zu tun und mit Unsicherheiten, vielleicht auch einfach damit, dass ich mir selbst gegenüber lange nicht ehrlich war.
Vor ein paar Jahren habe ich mit Freund*innen darüber gesprochen, dass ich mich in Menschen verliebe, nicht in Körper. In einer Facebook Gruppe postete ich einmal „Pan und demi in der Pandemie.“ Das sind alles Schlagworte, die tiefer führen zu Sätzen, die für mich noch nicht ansatzweise alle mit Ausrufezeichen oder Punkt enden. Da gibt es viele Fragezeichen. Wie gestaltet sich eine Partnerschaft, in der ich mich wohlfühle? Mit wem kann ich mich gut austauschen über Unsicherheiten und Fragen? Wo kann ich am besten Feiern und mit wem?
Der Käfig, in den ich mich lange selbst gesperrt habe, steht offen und ich habe Bedenken, ihn zu verlassen. Ein Schritt in diese Richtung, ist dieser Text. Ich schreibe ihn, nach einem Stimmungstief oder noch in einem Tief. Ich bin erkältet, und ich gerade wieder klar genug im Denken, dass ich Sätze formulieren kann.
Ich will mich feiern, wie ich bin. Ich will tanzen und lieben und froh sein. Ich habe ein Recht darauf, wie alle anderen. Es bricht mir, dass Herz, wenn Menschen dafür verfolgt werden, dass sie lieben. Wir alle wünschen uns Liebe in unserem Leben. Den Weg der Angst und des Hasses zu gehen, um da hinzugelangen, ist absurd und für so viele Menschen tödlich.
Gerade habe ich das Gefühl mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Wer bin ich, dass ich für andere sprechen kann. Aber ich will zu einem Gegenüber sprechen. Zu dir. Zu Ihnen. Zu euch. Das hat sich geändert. Darum wohl auch dieser Text. Wenn ich frei sein will, muss ich mich befreien vom Tabu, von der Selbststigmatisierung, von allen Blicken, die mich zurück in den Schrank schicken wollen.
Ich habe Vorbilder und ich werde weiterlesen, mich inspirieren lassen, sei es vom Blutbuch oder durch Essays von Ursula K. Le Guin, Toni Morrison, Margret Atwood, bell hooks, und so vielen weiteren. Diese schmerzlich schöne Reise beginne ich hier: Sitzend an meinem Schreibgerät mit einem verschmitztem Lächeln im Gesicht. Ich bin, wer ich bin; wer bin ich? In diesem Leben gibt es so viel noch zu entdecken, manche Türen stehen speerangelweit offen, andere warten darauf, herzlich eingetreten zu werden. Lasst uns das zusammen tun, lasst uns feiern und kämpfen, bis alle, aber auch alle Türen Allen offenstehen.
Trotz allem lebe ich, wachse schmerzlich langsam.
Meine Wurzeln krallen sich fest ins Geröll,
Klammern sich an den Fels und essen die spärliche Erde.
Der Wind zerrt an mir, an meinen Nadeln,
Meine Äste formen sich nach dem Wetter und den Umständen.
Doch die Aussicht entschädigt aufs Höchste.
Das Leben scheint mir zu in Form von Sonne und Mond.
Ich freue mich auf ihr Kreisen und weiß,
Dass es sich lohnt zu sein, was ich werde.
JB 16.10.22