Das Grauen des Faschismus klopft wieder an die Tür. Wir fragen: „Wer ist da?“ Sie sagen: „Alles, was ihr euch immer erträumt habt, wenn ihr uns folgt. Und alles, was ihr immer gefürchtet habt, wenn ihr uns nicht folgt.“ Die eine Aussage ist eine glatte Lüge, die zweite eine dreiste Drohung.

Ich bin müde, müde und wütend. Was es schwierig macht, klare Gedanken zu fassen oder für die nächsten Jahre zu planen oder auch mich ausführlich zu informieren über das aktuelle Tagesgeschehen. Was ich weiß: Die Gesellschaft zerbricht gerade an den immer da gewesenen Sollbruchstellen. Nicht wenige PolitikerInnen treiben einen Keil zwischen gesellschaftliche Gruppen und diese klatschen teilweise dazu. Viele mahnen und mahnen und mahnen. Wer hört diese so wichtigen Worte? Die klassischen Medien bedienen „Schöne Heile Welt“ Erzählungen und sind so „ausgewogen“, dass es weh tut zuzusehen. Die sozialen Medien hetzen für Klicks Menschen aufeinander und lassen sie in ihren persönlichen Echokammern schreien, bis sie ersticken, während sie sich gegenseitig nur noch beleidigen. Die Armen lassen sich gegen die Armen ausspielen. Die Reichen entscheiden sich für Wohltätigkeit oder besser Untätigkeit. Vor wem müssen sie sich verantworten?

Wie können wir als Gesellschaft die Gefahr für Freiheit und persönliche wie gesellschaftliche Entwicklung entschärfen? Das Konzept “Teile und Herrsche“ ist bekannt, aber die andauernden, sich wie ein Lauffeuer verbreitenden Lügen, die Verschiebung von Themen, die gesellschaftlich verhandelt werden und die vielen Forderungen, die einfach menschenverachtend sind; das alles wirkt, wie ein kalt-glühender Komet, der den Planeten Demokratie zu zerstören droht. Und es ist eine Bedrohung. Auch wenn viele den Kopf in den Sand stecken oder sich selbst nicht betroffen fühlen. Viktor E. Frankl schreibt in seinem Bericht: „Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ vom „Begnadigungswahn“, der im Angesicht des Unbeschreiblichen und der Todesbedrohung aufkeimt. „Ich werde es schon überstehen.“ Die Betonung liegt hier auf Wahn.

Als Mensch mit Behinderung, und vor allem als Person mit der Diagnose F20.0, also Paranoide Schizophrenie, frage ich mich, was ich in fünf Jahren wohl mache und wo ich sein werde? Gerade sitze ich in Connewitz in meinen WG-Zimmer und schreibe an meinem Eckschreibtisch diese Zeilen, während ich „A Perfect Circle“ höre und meine Katze an der Heizung schläft. Ich fühle mich noch relativ sicher in meiner Blase. Die politischen Entwicklungen sehe ich jedoch mit großer, großer Sorge.

Die Forderung nach einem Register für Psychisch Kranke macht mich fassungslos und lässt die Aufklärungsarbeit so vieler Menschen gefühlt in der Flamme des Rechtspopulismus in Rauch aufgehen. In meinen düstersten Momenten kommt mir die Frage in den Sinn: „Wann wollen sie wieder Kugeln sparen?“ Es geht für mich gerade um meine Existenz. Schon allein die Tatsache, dass ich existiere, regt Menschen auf und macht Ihnen Angst. Einige Politiker dieses Landes haben eine Agenda, dies auszunutzen und ich bin für sie nur ein gefährdendes Element. Alle meine Hoffnungen und Sorgen, alle meine Pläne und Wünsche verschwinden hinter dieser eingeschränkten Sichtweise.

Ganz praktisch gesehen muss ich gegen die Paranoia ankämpfen, in der kürzlichen Ablehnung meines Antrags auf eine berufliche Reha (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) eine Auswirkung dieser Politik zu sehen. Oder ist es doch einfach eine logische Folge? Mir wird in diesem Bescheid dargelegt, dass meine Erwerbsfähigkeit sich nicht mehr verbessern wird durch die Reha Maßnahmen, die ich beantragt habe. Hier wird nach Aktenlage entschieden über meine Zukunft, und vielleicht könnte ich durch einen Widerspruch erwirken, dass diese Entscheidung sich ändert. Aber bis dahin bin ich ermüdet, noch tiefer deprimiert und fühle mich allein gelassen mit dieser Aussage über meine Leistungsfähigkeit, in einer Gesellschaft, welche sich oft genau über Leistung definiert.

Die Bücher der Leipziger Dichterin Lene Voigt wurden vor hundert Jahren von den Nazis verbrannt. Als sie sich daraufhin unsicher und verfolgt fühlte, wurde sie in der Psychiatrie untergebracht. Da verbrachte sie den Rest ihres Lebens. Wie anders hätte ihr Leben verlaufen können und wie hätte sich ihr künstlerisches Schaffen entfalten können, wäre die Geschichte damals anders verlaufen?

Das ist ein Leben von Millionen, das verstümmelt wurde vom Faschismus und dessen Verfolgung Andersdenkender und Menschen, die ihm lebend nicht von Nutzen sind; viele Millionen ermordet, viele Millionen traumatisiert. Bis heute hat das generationsübergreifend Auswirkungen auf uns alle. Sich das klarzumachen, macht zwingend deutlich, wir müssen dagegen angehen, solange wir noch können. Wir dürfen die Gefahr, die mit den Faschisten einhergeht, nicht unterschätzen, wie es schon einmal passiert ist. Und mit Faschisten meine ich die AFD als Partei mit ihren Anhängern und Unterstützern.

Ich würde mich so gern mit wichtigeren und komplexen Problemstellungen beschäftigten, welche nun einmal angegangen werden müssen. Ich wünsche mir eine Welt in der Menschen, die Menschen, die Natur und die Zukunft im Blick, Probleme lösen, statt neue zu schaffen. Und es gibt so viele Lösungen, wenn denn Wissenschaftler*innen nur genug Zeit und Ressourcen zur Verfügung hätten, sich um Wege aus den Krisen unserer Welt zu kümmern. Und diese Wünsche sind nicht im mindesten utopisch. Wenn wir uns gemeinsam dem zuwenden, was die Probleme schafft, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, dann sind Lösungen die Folge. Kooperation hat die Menschheit weitergebracht, Kriege, Ungerechtigkeit und politische Grabenkämpe werfen uns als Menschheit zurück und bedrohen unsere Existenz, unsere Zukunft.

Wenn wir, die wir die Macht haben Dinge zu ändern, erst unseren Blickwinkel verändern und auf die Erde schauen als einen Ort, dessen Wohlergehen in unserer Verantwortung liegt. Wenn wir, wie viele Menschen auf dieser Erde, generationsübergreifend denken und handeln würden, dann wären Hunger, Feindschaft und Ungerechtigkeit einfacher zu bekämpfen. Und das sind die Kämpfe, die wir führen oder eben verlieren. Der „grüne Weg“, den die indigene Biologin Robin Wall Kimmerer in ihrem grandiosen Buch „Geflochtenes Süßgraß“ beschreibt, ist einfach die Entscheidung für das Leben.

Alles andere ist Ablenkung und bringt nur noch mehr Leid und Zerstörung über unseren Planeten und uns. Lasst uns das Planen und das Träumen praktizieren, das miteinander Austauschen und zusammenarbeiten. Lasst uns Gemeinschaften fördern und Träume zusammen verwirklichen. Das waren schon immer die Stärken der Menschheit, so wie es die Geschichte uns mitteilt. Alles andere ist nur eine Schleife, die sich so lange wiederholt, bis die Menschheit untergeht oder endlich ihre Lektion gelernt hat und weiter genesen und gedeihen kann. Darauf baut meine Hoffnung, darin wartet der Samen der Zukunft.

Johanna nion Blau, 10.01.2025

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