(„You don’t Know Jack“ Referenz, weil alle anderen Titel so random klangen. Und los gehts!)
Vor einiger Zeit hatte ich ein Bild vor Augen, wie ein Kleinkind in einem großen, durch zwei breite Fenster erleuchtetem, weißen Raum sitzt und herzlich vor sich hin lacht. Der Raum ist leer, keine Möbel, keine Menschen. Dieses Bild will mir etwas sagen und da stehe ich noch ganz am Anfang. So lese ich gerade von Stefanie Stahl: „Das Kind in dir muss Heimat finden“. Mal sehen, wo mich das noch hinführt.
Was mir das bringen soll? Was ich will, ist klarkommen und mich entwickeln. Vor allem will ich mich anderen gegenüber öffnen können. Es geht in diesem Text um mich. Klar habe ich Eltern und meine Eltern hatten auch Eltern. Wir alle hatten und haben Glaubenssätze in unseren Köpfen und hinterfragen nicht gleich alles, was uns erzählt wird. Das geht mir so, das geht Dir so. Und wenn ich jetzt darauf nicht herumreiten will, ist das mein gutes Recht.
Doch wo hörst Du auf und wo fange ich an zu sein. Im Zwischenmenschlichen definiere ich mich oft und besser als ich selbst, als wenn ich auf mich allein gestellt vor mich hin denke und anfange zu schreiben. Dabei sind in Gesellschaft einfach die Automatismen eingeübter und vertrauter. Indem ich mich anpasse, habe ich überlebt. Das mir selbst zu vergegenwärtigen, das ist das Wichtige. Und ich frage mich jetzt, will ich sie noch, brauche ich sie noch: Diese Muster?
Es ist nicht so, dass ich von aufgrund verändern will, wer ich bin. Was ich will, ist eine Wahl zu haben, wie ich auf Situationen und auf die Wirklichkeit reagiere: Flucht, tot stellen oder angreifen? Tot stellen war immer meine Antwort, ohne nachzudenken. Daran will ich arbeiten.
Wenn ein Mensch mir gegenüber ungerecht ist, will ich mich wehren können. Wenn mich ein Mensch angreift, nehme ich mir seit einem Kurs in WenDo, das Recht, mich zu verteidigen. Es ist ein langer, schwieriger Weg für mich gewesen, mir auch nur zu erlauben so zu denken. Bis ich erkannt habe, dass ich ausgenutzt, verlacht oder benutzt worden bin, verging so viel Zeit, dass ich dachte, ich hätte nun kein Recht mehr, etwas zu sagen. Wenn sich ein Mensch über mich lustig gemacht, dachte ich lange, er oder sie hat ja recht.
Selbstwert und Selbstvertrauen musste ich mir erarbeiten. Ich arbeite immer noch in jeder Konfliktsituation, daran, mich nicht zurückzunehmen, sondern auch mal auf Konfrontation zu gehen oder zu provozieren. Oder je nachdem wie ich mich entscheide, scheinbar emotionslos zu argumentieren. Wut zu zeigen ist neu für mich. Lange, lange Zeit habe ich sie aufgefressen und mich damit selbst stark belastet. Vertrauen in meine Fähigkeiten ist neu für mich. Liebe und Zuneigung mir gegenüber anzunehmen, ist neu für mich.
Mich zu offenbaren, was meine Gefühle für andere Menschen angeht, ist eine Aufgabe, die ich mir stelle. Ich arbeite daran. Und ja, es ist Arbeit. Raus aus der Komfortzone, raus aus dem Zimmer, der Wohnung, abseits der bekannten Wege die Welt erkunden, auf unbekannte Menschen zugehen. Dabei fühle ich mich, als würde ich im Jobcenter meine Liste mit Bewerbungen vorzeigen. Aber was soll’s. Der Weg raus ist hindurch. Und wie ich so wandere durch einen Tunnel voller Autowracks und Mumifizierter Leichen, hinter mir Grunzende Laute und Schlurfende Schritte, sehe ich ein Licht vor mir auftauchen. Schon alleine das ist ein Wunder. Ich habe vor, mich weiterhin zu wundern, dass ich es bis hierhin geschafft habe und ich freue mich ehrlich auf das was noch folgt. Denn, ich habe vor, mein Leben auszustaffieren und mit Glitzer zu überschütten, wie nur was.
Nicht immer nur unerreichbar fern, oder Sehnsüchte, die unerfüllt bleiben. Nicht mehr in den Wolken schweben abtauchen ins Leben nach dieser Auszeit, die keine ist. Stopp. Da ist wieder diese utopische Phantasterei, der ich gern verfalle. Ich bin noch nicht fertig mit mir.
In meinem Geburtshoroskop stehen Venus und Mars im Quadrat.Wenn es überhaupt etwas bedeutet,dann so viel wie: es gibt oft Stress in Beziehungen mit Männern oder männlich gelesenen Personen. Kann ich bestätigen, aber ich weiß auch schon einige Zeit von dieser unseligen Konjunktion. Also ist das vielleicht nur eine sich selbst erfüllende Prophezeiung? Genug von der Astrologie.
Die Wahrheit ist, und jetzt muss ich es rauslassen: Ich bin bereit mich einzulassen, ich bin bereit so viel Liebe zu geben, wie ein Mensch nur ertragen kann. Und ja, da ist dieses nicht unerhebliche Problem, das auch zu zeigen. Ich habe soviel Angst vor Ablehnung und davor, für eine Partnerschaft als ungeeignet abgestempelt zu werden. Deswegen verwende ich viel Energie darauf zu durchdenken, was denn in einer Begegnung mit einem mir wichtigem Menschen angemessen wäre. Nicht unbedingt auf das, was ich sage. Das was ich sage, ist eh meist zensiert von mir. Das passiert schon lange automatisch: vorausahnen, was mein Gegenüber von mir will und reagieren. Nicht unbedingt es erfüllend aber dementsprechend berechnend und vorausschauend. Wenn ich dafür zu aufgeregt bin oder emotional werde, verunsichert mich das zutiefst und ich analysiere nach der Begegnung, was ich hätte anders machen können, damit mein Gefühlspanzer weniger durchlässig erscheint.
Das alles will ich nicht mehr, denn ich raube mir selbst soviel damit. Ich verbaue mir so viele Chancen auf tolle Erfahrungen und Begegnungen, was mich sehr traurig macht. Aber mein Verhaltensmuster schleift mir hinterher, wie ein zerfetztes, schmutziges Hochzeitskleid. Alle gelernten Muster liefern sich in meinem Kopf eine Kissenschlacht, wenn ich versuche einem Menschen zu sagen, was in mir vorgeht. Und wenn ich um Hilfe bitte, weil es mir schlecht geht, ist es als ob Gletscher tauen und das Schmelzwasser von Jahrhunderten dann aus meinen Augen hervorbricht. Es ist schmerzhaft und es tut mir gut. Das zu beschreiben, tut mir gut. Deswegen hier auch die Masse an Metaphern.
Und gerade will ich nicht von Narzissmus oder Co-Abhängigkeit schreiben. Ich will davon schreiben, einen Menschen kennenzulernen und für mich zu erwählen. Das ist so schön beschrieben in Liv Strömquists Graphic Novel: „Ich fühl’s nicht“. Ein Mensch ist keine Ware, die wir uns aussuchen, wie in einem Katalog und sofort wieder zurück schicken, wenn sich herausstellt, dass der Mensch nicht zu 100 Prozent unseren Anforderungen entspricht. Und ich will das Besondere an Dir erkennen und zu schätzen wissen. Ich will es feiern und Dir Liebesbriefe schreiben dürfen. Ich will mir das erlauben und es sollte mir auch erlaubt sein. Schließlich bin ich Dichterin. 😉
Da bin ich noch nicht mal auf der Ebene des Körperlichen. Aber das ist eine andere Geschichte.
JB-12-2020

